Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum. berechtigtes Interesse des Vermieters

 

Orientierungssatz

1. Das WKSchG unterscheidet nicht zwischen Wohnraum, welchen der Vermieter und solchen, welchen der Mieter oder ein Dritter erstellt hat. Entscheidend ist allein, ob dem Mieter Wohnraum zum Gebrauch überlassen worden ist.

2. Die Vermieterin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, weil sie die Grundfläche benötigt, um die Durchführung eines großen Bauvorhabens mit über 100 Wohnungen für sozialschwache Familien zu ermöglichen.

3. Auch bei Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen des Mieters (Mietdauer von 25 Jahren, vielköpfige Familie, Haus mit Garten) geht es nicht an, die Durchführung eines großen sozialen Bauvorhabens zu vereiteln.

 

Tatbestand

Im Jahre 1945 nahm der Beklagte Besitz von einem der Klägerin, der Stadtgemeinde K., gehörenden Grundstück und errichtete dort ein Wohnhaus. Im Jahre 1948 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über das Grundstück auf unbestimmte Zeit mit einer beiden Parteien zustehenden Kündigungsfrist von 3 Monaten. In § 3 des Vertrages ist vorgesehen, daß das Grundstück nur zur Errichtung eines Behelfsheimes und als Hausgarten benutzt werden darf. Die Klägerin beabsichtigt, das Grundstück zusammen mit anderen umliegenden Grundstücken an die G. und B. GmbH zu Errichtung eines Bauvorhabens mit 112 Wohnungen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen für sozialschwache Familien zu veräußern. Das hier in Rede stehende Grundstück liegt mitten in der zu bebauenden Gesamtfläche. Namens der Klägerin hat die G. und B. GmbH den Mietvertrag mit Schreiben vom 30.8.1972 gekündigt. Verhandlungen zwischen den Parteien über die Räumung des Grundstückes sind ergebnislos geblieben, vor allem wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Höhe der dem Beklagten für das Gebäude zu zahlenden Entschädigung.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie zHd der G. und B. GmbH, das ca 200 qm große Grundstück S. Str, Gemarkung K., Flur 77, Parzellen-Nr 3296/214 herauszugeben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung für das Gebäude berufen.

Mit Urteil vom 21.8.1973 hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte sei zur Herausgabe des Grundstückes verpflichtet, da die Klägerin den Mietvertrag wirksam gekündigt habe, der Vertrag nicht den Bestimmungen des Wohnraumkündigungsschutzgesetzes und auch nicht §§ 565, 556a BGB unterliege und der Beklagte sich gemäß § 556 Abs 2 BGB auf ein Zurückbehaltungsrecht nicht berufen könne.

Gegen das ihm am 6.9.1973 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.9.1973 Berufung eingelegt. Gleichzeitig hat er sein Rechtsmittel begründet. Er bestreitet, daß dem Kündigungsschreiben der G. u B. GmbH eine entsprechende Vollmacht der Klägerin beigelegen habe. Im übrigen macht er geltend, das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin unterliege den Bestimmungen des Wohnraumkündigungsschutzgesetzes, und ein berechtigtes Interesse an der Kündigung des Vertrages habe die Klägerin nicht; im übrigen sei es ihm bei seiner wirtschaftlichen Lage nicht möglich, eine entsprechende Ersatzwohnung zu finden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Beklagten unter ausführlicher Darlegung ihres Standpunktes entgegen.

Wegen aller Einzelheiten des Sachstandes und Streitstandes wird auf die im Laufe des Rechtsstreites gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf die von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.

Das Amtsgericht hat der Klage mit Recht stattgegeben.

Der von der Klägerin erhobene Räumungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 556 Abs 1 BGB. Es kann dahinstehen, ob der von den Parteien abgeschlossene Mietvertrag in Wahrheit mehr den Charakter eines Pachtvertrages hat, auch in diesem Falle bleibt die genannte Bestimmung anwendbar, § 581 Abs 2 BGB. Der Beklagte ist zur Räumung des Grundstückes verpflichtet, weil die Klägerin den Vertrag wirksam gekündigt hat.

Zutreffend macht der Beklagte allerdings geltend, der Vertrag zwischen ihm und der Klägerin unterliege den Bestimmungen des Wohnraumkündigungsschutzgesetzes - WoKSchG - vom 25.11.1971 (BGBl I S 1839). Wenn der Vertrag der Parteien auch ein Grundstück betrifft und möglicherweise mehr den Charakter eines Pachtvertrages denn eines Mietvertrages hat, so vermag die Kammer sich doch der entgegenstehenden Auffassung des Amtsgerichtes nicht anzuschließen.

Unzweifelhaft handelt es sich bei den vom Beklagten errichteten Gebäulichkeiten um Wohnraum im Sinne der erwähnten Vorschriften, sie dienen dem Beklagten und seiner Familie als Wohnung.

Die Anwendung des WoKSchG ist nicht deshalb ausgeschlossen...

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