Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Mit der Klage macht die Klägerin (früher Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft) als Haftpflichtversicherung des schweizerischen Flugsicherungsuntemehmens Skyguide AG Ansprüche aus abgetretenem und übergegangenem Recht aus einer Flugzeugkollision geltend, die sich über deutschem Hoheitsgebiet nördlich von Überlingen am Bodensee ereignet hat.

Am 01.07.2002 um 21:35:32 Uhr Weltzeit kam es bei dunkler Nacht und Flugsicht von 10 km und mehr in der Nähe der Stadt Überlingen am Bodensee zu einem Zusammenstoß eines Verkehrsflugzeugs der staatlichen Luftfahrtgesellschaft Bashkirian Airlines der Republik Baschkortostan (BAL) vom Typ Tupolev TU154M mit einer Boeing 757-200 der DHL International Ltd. in einer Flughöhe von 34 890 Fuß (ft), was etwa 10 600 m entspricht. Beide Flugzeuge stürzten in ein Gebiet nördlich der Stadt Überlingen.

Die Tupolev (BAL-Maschine) befand sich auf einem Charterflug von Moskau nach Barcelona und war um 18:49 Uhr in Moskau-Domodedovo mit 9 Besatzungsmitgliedern und 60 Passagieren an Bord gestartet. Im Cockpit befanden sich fünf Besatzungsmitglieder.

Die Boeing der DHL-International Ltd. (DHL-Maschine) war zu einem Frachtflug um 21:06 Uhr in Bergamo in Richtung Brüssel gestartet. Es befanden sich zwei Besatzungsmitglieder an Bord, der Kommandant und der Co-Pilot, letzterer steuerte das Flugzeug.

Keiner der an Bord beider Flugzeuge befindlichen insgesamt 71 Menschen überlebte die Kollision. Durch herabstürzende Wrackteile kam es zu erheblichen Bodenschäden.

Beide Maschinen verfügten über ein selbständig arbeitendes Annäherungswarnsystem (TCAS), welches die Piloten vor der Annäherung mit einer anderen Maschine warnen soll. Dieses System ist so konzipiert, dass es im Falle einer kritischen Annäherung automatisch mit der anderen Maschine Kontakt aufnimmt, woraufhin automatisch die jeweiligen Piloten zum Ausweichen aufgefordert werden (sog. TCAS-RA). Da die Systeme miteinander in Kontakt treten, sind diese Ausweichaufforderungen meist gegenläufig. Das heißt, eine Maschine wird zum Sinken, die andere zum Steigen aufgefordert. So geschah dies auch im vorliegenden Fall, als um 21:34:56 Uhr zeitgleich in den Cockpits beider Maschinen jeweils eine TCAS-RA ertönte, wobei die BAL-Maschine zum Steigen und die DHL-Maschine zum Sinken aufgefordert wurde. Während die DHL-Piloten der TCAS-RA zum Sinken Folge leisteten, leiteten die BAL-Piloten ab 21:34:56 Uhr entgegen ihrer TCAS-RA ebenfalls den Sinkflug ein. Dieses Manöver beruhte auf einer über den Sprechfunk in der Zeit von 21:34:49 bis 21:34:56 Uhr empfangenen Weisung des Lotsen der Skyguide, auf eine Flughöhe von 35000 ft. zu sinken. Diese Weisung wiederholte der Loste um 21:35:03 Uhr. Beide Flugzeuge setzten ihren Sinkflug fort, bis sie in einer Flughöhe von 34890 ft. kollidierten.

Wegen der Einzelheiten des genauen Unfallhergangs und der personellen wie technischen Ausstattung bei Skyguide AG im Allgemeinen sowie in der Unfallnacht im Speziellen nimmt die Kammer zunächst vollumfänglich Bezug auf den abschließenden Untersuchungsbericht der zuständigen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Braunschweig (BFU) vom 19.05.2004, in welchem die exakten Abläufe und äußeren Umstände des Unglücks umfassend dargestellt sind (BFU-Bericht, Anl. K 1).

Weiter nimmt die Kammer vollumfänglich Bezug auf das Urteil des schweizerischen Bezirksgerichts Bülach vom 21.08.2007 – Geschäfts-Nr. DG 060110/U (Anlage B 17) im Strafverfahren gegen die für die Flugsicherung verantwortlichen Mitarbeiter der Skyguide AG (vorgelegt von der Beklagtenseite als Anlage B 17), von denen vier rechtskräftig verurteilt wurden.

Schließlich nimmt die Kammer Bezug auf ihr Grund- und Teilurteil vom 27.07.2006 aus der Parallelsache 4 O 234/05 H in Verbindung mit dem dort ergangenen Tatbestandsberichtigungsbeschluss der Kammer vom 27.10.2006.

Die Kollision ereignete sich im süddeutschen Luftraum. Die nach deutschem Recht hoheitlich ausgestaltete Flugsicherungskontrolle wird dort seit dem 2. Weltkrieg absprachegemäß von der Schweiz ausgeübt, auch heute noch. Zuständig hierfür ist in der Schweiz die Skyguide AG, eine privatrechtliche schweizerische Aktiengesellschaft, die aus der staatlichen Flugsicherung Swisscontrol hervorging und seit dem 01.01.2001 unter ihrem neuen Namen firmiert. Der Luftraum ist dabei in zwei Bezirkskontrollstellen unterteilt, die ACC-Zürich und die ACC-Genf, wobei die Kontrollstellen ihren örtlichen Flugsicherungsdienst selbständig im Auftrag des Flugsicherungsunternehmens Skyguide betreiben. Im vorliegenden Fall war ACC-Zürich zuständig. Ob die so praktizierte Flugsicherung auf einer rechtlich wirksamen Grundlage ausgeübt wurde und wird, bildete einen zentralen Streitpunkt in dem Parallelrechtsstreit vor der hiesigen Kammer in Sachen Bashkirian Airlines ./....

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