Entscheidungsstichwort (Thema)
Schweigerecht des Sachverständigen im Mieterhöhungsprozeß
Leitsatz (amtlich)
Im Mieterhöhungsprozeß ist der Sachverständige nicht verpflichtet, die in seinem Gutachten zugrundegelegten Vergleichswohnungen namentlich zu benennen, soweit seine Kenntnis über die Objekte auf seiner gerichtlichen oder außergerichtlichen Sachverständigentätigkeit beruht.
Gründe
Der Beschwerdeführer ist Vermieter und klagt vor dem Amtsgericht Kempen auf Zustimmung der beklagten Mieterin zur Erhöhung der Grundmiete. Durch Beweisbeschluß vom 22. Dezember 1977 hat das Gericht Beweis erhoben über die Frage, ob der vom Kläger verlangte Mietzins der "ortsüblichen Miete" entspricht.
Der Beschwerdegegner ist Bauingenieur und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Industriekammer und Handelskammer K. Mittlerer Niederrhein für Mietwertfeststellungen. Das von ihm am 30. Januar 1978 erstellte Gutachten macht zu der Frage nach vergleichbarem Wohnraum keine konkreten Angaben, sondern verweist in diesem Zusammenhang nur auf Erfahrungswerte und allgemeine Sachkunde. In der mündlichen Verhandlung vom 6. April 1978 weigerte sich der Sachverständige unter Berufung auf die Satzung der IHK K. vom 8. März 1978 und ein Aussageverweigerungsrecht, die seinem Gutachten zugrundegelegten Vergleichsobjekte seiner Mietberechnung zu nennen.
Durch Zwischenurteil vom 20. April 1978 - 11 C 625/77 - hat das Amtsgericht festgestellt, daß der Sachverständige nicht verpflichtet sei, die seinem Gutachten zugrundegelegten Vergleichsobjekte zu nennen, soweit er diese in seiner gerichtlichen oder außergerichtlichen Tätigkeit erfahren habe. Soweit er diese Kenntnis nur außerhalb seiner Sachverständigentätigkeit erfahren habe, sei er zur Benennung verpflichtet. Gegen das dem Kläger am 25. April 1978 zugestellte Zwischenurteil hat er am 5. Mai 1978 sofortige Beschwerde eingelegt.
Der Beschwerdeführer behauptet: Der Sachverständige könne sich nicht auf § 15 der Satzung der IHK K. berufen. Eine Geheimhaltungspflicht sei nicht anzuerkennen. Die Pflicht zur konkreten Bezeichnung der Vergleichsobjekte ergäbe sich aus § 2 Abs 2 MHRG, wonach der Sachverständige ein mit Gründen versehenes Gutachten anzufertigen habe.
Er beantragt,
das angefochtene Zwischenurteil des Amtsgerichts Kempen vom 20. April 1978 - 11 C 625/77 - aufzuheben und den Sachverständigen anzuhalten, die seinem Gutachten vom 30.1.1978 zugrundeliegenden Vergleichsobjekte zu benennen.
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 387 Abs 3, 402, 577 Abs 2 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht und formgerecht eingelegt. Sie ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht Kempen geht zutreffend davon aus, daß der Sachverständige nicht verpflichtet ist, die in seinem Gutachten zugrundegelegten Vergleichswohnungen namentlich zu bezeichnen, soweit seine Kenntnis über diese Objekte auf seiner gerichtlichen oder außergerichtlichen Sachverständigentätigkeit beruht. Der Sachverständige ist gemäß §§ 383 Abs 1 Nr 6, 402 ZPO berechtigt, Tatsachen zu verschweigen, auf welchen seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit beruht. Das setzt voraus, daß sich die Aussage auf Tatsachen bezieht, die dem Sachverständigen kraft Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut sind und deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschriften geboten ist.
Ob sich der Beschwerdegegner als Sachverständiger zu Recht auf § 25 der Satzung der IHK K. vom 8. März 1978 als gesetzliche Vorschrift für seine Geheimhaltungspflicht beruft, kann offen bleiben. Eine Pflicht zur Verschwiegenheit besteht insofern, als dem öffentlich bestellten oder vereidigten Sachverständigen in seiner Eigenschaft als sachkundigem Gutachter sowohl seitens des Gerichts im Beweisverfahren als auch seitens der Parteien bei Privatgutachten Kenntnisse anvertraut oder offenkundig gemacht werden, die ihrer Natur nach geheimhaltungsbedürftig sind. Gerade die Beauftragung eines Sachverständigen zum Zweck der Mietwertberechnung oder Grundstücksbewertung zeigt seine besondere Vertrauensstellung. Die Auftraggeber gehen davon aus, daß der Sachverständige seine Kenntnisse von Dingen, die zum persönlichen Lebensbereich der Betroffenen zählen, nicht unbefugt verwertet (vgl im übrigen dazu Stein-Jonas, § 383 III Abs 3 ZPO; Wellmann, "Der Sachverständige in der Praxis", Seite 20).
Auch der Gesetzgeber hat die Verschwiegenheitspflicht des öffentlich bestellten Sachverständigen für so wichtig angesehen, daß er ihre Verletzung in § 203 Abs 2 Nr 5 StGB unter Strafe gestellt hat (Schönke/Schröder, § 203 RdNr 60). Gleichzeitig hat er in § 1 Abs 1 Nr 3 des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974 (BGBl 1974 I, S 469, 547) die Bestellungsbehörde beauftragt, jeden Sachverständigen auf diese Pflicht und ihre strafrechtlichen Folgen im Fall der Pflichtverletzung hinzuweisen.
Die Lehre und Rechtsprechung hat darüber hinaus den Grundsatz entwickelt, daß dem Sachverständigen gemäß § 383 Abs 1 Nr 6 ZPO grundsätzlich das Aussageverweigerungsrecht sowohl in Bezug auf Tatsache...