Verfahrensgang
AG Landau (Pfalz) (Urteil vom 22.02.2000; Aktenzeichen 4 C 2166/99) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 22.02.2000, Az.: 4 C 2166/99, abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.544,94 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 30.11.1999 zu zahlen.
II. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
Die zulässige Berufung führt auch in der Sache zum Erfolg. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind die Beklagten dem Kläger für die Beschädigungen an dessen beiden Fahrzeugen wegen Verletzung der Aufsichtspflicht als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 832 Abs. 2, 840 Abs. 1 BGB).
Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass den Beklagten als verantwortlichen Betreuern des Pfadfinderlagers bei … die Aufsicht über die fraglichen 6 Jugendlichen im Alter von 10 bis 13 Jahren oblag. Unstreitig ist weiter, dass diese 6 Jugendlichen bei ihrem unbeaufsichtigten Ausgang am … in die Ortschaft … die beiden Fahrzeuge des Klägers beschädigt haben, indem sie die Markenembleme herausgebrochen oder dies zumindest versucht haben.
Das Amtsgericht meint, die Beklagten könnten hierfür nicht gemäß § 832 Abs. 2 BGB zur Verantwortung gezogen werden. Sie hätten ihrer Aufsichtspflicht als Betreuer dadurch genügt, dass sie von den betroffenen Jugendlichen verlangt hätten, sich vor Ausgängen in den Ort an programmfreien Nachmittagen in Gruppen von mindestens 3 Personen abzumelden, was vor dem hier fraglichen Vorfall am … auch so geschehen sei. Mehr sei in Anbetracht der Tatsache, dass die betroffenen Jugendlichen bislang weder in strafrechtlicher Hinsicht noch in sonstiger Weise in Erscheinung getreten und in den letzten 20 Jahren sich vergleichbare Vorfälle bei Pfadfinderlagern nicht ereignet hätten, nicht zu verlangen. Regelmäßige Kontrollen seien aus erzieherischen Gründen gerade nicht angebracht. Auch sei bei normal entwickelten Jugendlichen dieses Alters das Wissen, dass strafbare Handlungen nicht begangen werden dürften, ohne weiteres vorauszusetzen. Auf die Behauptung der Beklagten, sie hätten zu Beginn des Pfadfinderlagers die Teilnehmer belehrt, keine strafbaren Handlungen zu begehen, komme es deshalb nicht an.
Der Kläger beanstandet zu Recht, dass das Amtsgericht damit die Anforderungen an die Aufsichtspflicht der Beklagten in der konkreten Situation zu gering bemessen hat.
Zwar ist der Ausgangspunkt des Amtsgerichts zutreffend, dass sich der Umfang der gebotenen Aufsichtspflicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Minderjährigen richtet. Grundsätzlich kann deshalb Kindern ab einem Alter von acht bis neun Jahren, wenn sie normal entwickelt sind, das Spielen und der Aufenthalt im Freien ohne Aufsicht auch in einem räumlichen Bereich gestattet werden, der dem Aufsichtspflichtigen ein sofortiges Eingreifen nicht ermöglicht. Das gilt nur dann nicht, wenn bei den betroffenen Kindern davon auszugehen ist, dass sie sich den Belehrungen der Aufsichtspflichtigen verschließen, die Erfahrungen des Lebens mit seinen Gefahren nicht in sich aufnehmen und ihr Verhalten nicht im allgemeinen altersentsprechend danach ausrichten (vgl. BGH, NJW 1997, 2047, 2048 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es wie hier um die Verhinderung von Schädigungen Dritter geht.
Die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen richtet sich in jedem Fall danach, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um Schädigungen des Minderjährigen oder Schädigungen Dritter durch den Minderjährigen abzuwenden; es kommt darauf an, ob der Aufsichtspflichtige im konkreten Fall in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenszufügung führenden Umstände eines ausreichende Aufsicht geführt hat (vgl. OLG Hamm, VersR 1996, 1513, 1514).
Zugunsten der Beklagten ist auch in der Berufungsinstanz davon auszugehen, dass die fraglichen Jugendlichen nach diesen Grundsätzen nicht schon wegen ihrer Eigenart und ihres Charakter einer verstärkten Beaufsichtigung durch die Beklagten bedurften. Hierfür wäre der Kläger darlegungs- und beweispflichtig, weshalb sein diesbezügliches Bestreiten mit Nichtwissen nicht ausreichend ist.
Gleichwohl lassen sich die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an die Beaufsichtigung von Jugendlichen durch ihre Erziehungsberechtigten in häuslicher Umgebung entwickelt hat, nicht ohne weiteres auf die hier gegebene Situation eines Zeltlagers „fern der Heimat” – die Pfadfindergruppe der Beklagten stammt aus … – übertragen (vgl. hierzu auch Urteil der Kammer vom 26.10.1999, Az.: 1 S 43/99 für Auslandaufenthalte von jugendlichen Heimbewohnern). Zwar ist auch hier zu bedenken, dass gerade der Aufenthalt in einem Kinderferienlager ohne Anwesenheit der Eltern nur unter Betreuung durch junge Erwachsene die Selbständigkeit in besonderem Maße fördern soll. Deshalb dürfen auch bei solchen Veranstaltungen die Anforderungen an die Aufsichtspflicht nicht überspannt werden, et...