Leitsatz (amtlich)
1. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrrads ist als ersatzfähiger Vermögensschaden anzusehen. Das gilt insbesondere dann, wenn das Fahrrad regelmäßig für den Weg zur Arbeit benutzt wurde.
2. Die Höhe der Entschädigung wird unter Zugrundelegung des geschätzten Mietpreises ermittelt. Dieser ist aber um den Gewinn des Vermieters i.H.v. 40 Prozent zu kürzen.
Verfahrensgang
AG Ratzeburg (Entscheidung vom 30.12.2010; Aktenzeichen 15 C 313/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Ratzeburg vom 30.12.2010 (15 C 313/09) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 537,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.06.2009 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 46,41 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 61%, die Beklagte 39%. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs tragen der Kläger 65%, die Beklagte 35%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen; auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen, §§ 540 Abs. 1, Abs. 2, 313a ZPO.
Der Kläger verfolgt seine in der ersten Instanz geltend gemachten Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 20.04.2009 weiter, soweit das Amtsgericht die Klage wegen eines Nutzungsausfallschadens in Höhe von 1.050 Euro, der Kosten für ein vorgerichtliches Gutachten in Höhe von 267,75 Euro sowie weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen hat.
Die Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes aus dem Verkehrsunfall vom 20.04.2009 in Höhe von insgesamt 537,26 Euro gem. §§ 823, 249 BGB.
Der Kläger kann eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 195,90 Euro verlangen, da er bedingt durch das Unfallgeschehen, sein Fahrrad für einen Zeitraum von 35 Tagen nicht nutzen konnte.
Ob eine Nutzungsausfallentschädigung bei Beschädigung eines Fahrrades verlangt werden kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Die Rechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung ist zunächst für die Fälle der entgangenen Nutzungsmöglichkeit bei einem Kfz entwickelt worden. Sie beruht auf der Erwägung, dass der auf einen Mietwagen verzichtende vorsichtige und sparsame Eigentümer nicht schlechter gestellt werden soll als derjenige, der einen Ersatzwagen anmietet. Voraussetzung für die Ersatzpflicht ist ein Verlust der Möglichkeit, mithin eine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung. Daher sind das Bestehen eines Nutzungswillens und einer Nutzungsmöglichkeit erforderlich (Pal. § 249, Rn. 40-42). Diese Rechtsprechung, wonach der Verlust von Gebrauchsvorteilen einer Sache unter bestimmten Voraussetzungen einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen kann, ist auf weitere -Gebrauchsgegenstände ausgedehnt worden. Der Große Zivilsenat des BGH (NJW 1987,50) hat entschieden, dass ein Nutzungsausfall dann als ein zu ersetzender Vermögensschaden anzusehen ist, wenn es sich um einen Gegenstand handelt, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung folgt die Kammer der Auffassung, dass auch der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrrades als ersatzfähiger Vermögensschaden anzusehen ist (so auch KG NJWRR 1993, 1438), wenn Fahrräder etwa regelmäßig für den Weg zur Arbeit genutzt werden. In diesen Fällen ist die Voraussetzung, dass der Berechtigte auf die ständige Verfügbarkeit typischerweise angewiesen ist, grundsätzlich erfüllt. Ein Grund, der es rechtfertigen würde, denjenigen, dessen für den Weg zur Arbeitsstätte genutzter Pkw beschädigt wird, anders zu behandeln als denjenigen, dessen für den Weg zur Arbeit genutztes Fahrrad beschädigt wird, besteht nicht.
Die regelmäßigen Voraussetzungen für die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung . liegen im vorliegenden Fall vor. Aufgrund des Unfalls war das Fahrrad des Klägers derart beschädigt, dass er es nicht mehr nutzen konnte. Er selbst war in der Zeit nach dem Unfall in der Lage, Fahrrad zu fahren und hätte das Fahrrad nach eigenem, unbestrittene*m Vortrag während dieser Zeit für den täglichen Weg zur Arbeit genutzt.
Dem Entschädigungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger über weitere Renn, räder verfügt, die nach seinen Angaben jedoch nicht mit einem Schutzblech und auch nicht mit einer ordnungsgemäßen Beleuchtung ausgestattet sind. Unter Zugrundelegung der für PKW entwickelten Rechtsprechung, wonach ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht besteht, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar ist (OLG Jena NJW RR 2004, 1030), kommt es darauf an, ob eines der weiteren Fahrräder des Klägers einen zumutbaren Ersatz für das beschädigte Fahrrad während der Reparaturzeit bzw. der Zeit bis zur Lieferung des neuen...