Verfahrensgang

AG Lübeck (Urteil vom 10.08.2000; Aktenzeichen 27 C 751/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen und unter Zurückweisung der Anschlussberufung das am10. August 2000 verkündeteUrteil des Amtsgerichts Lübeck geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 281,21 EUR zzgl. 4 % Zinsen vom 5. August 1998 bis zum 30. April 2000 und 5 % ober dem Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit dem 1. Mai 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg; die Anschlussberufung ist unbegründet.

Die Beklagten sind verpflichtet, den von der Miete für August 1998 zu Unrecht einbehaltenen Betrag von 550,00 DM an den Kläger zu zahlen. Die erstinstanzlich zurückgewiesene Mietminderung wegen unverhältnismäßig intensiver Gartennutzung des Klägers ist mit der Berufung nicht mehr angegriffen worden.

Zu weiteren Zahlungen aus dem Mietverhältnis sind die Beklagten nicht verpflichtet.

Die Beklagten waren seit November 1998 zur Mietminderung berechtigt. Ihre Verpflichtung zur Mietzahlung war mit der Kündigung und dem Auszug am 15. Januar 1999 ganz entfallen.

Die Beklagten haben das Mietverhältnis gern. § 544 BGB wirksam fristlos gekündigt.

Nach dieser Vorschrift kann ein Mieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn die Wohnung so beschaffen ist, dass die Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Dieses Recht zur fristlosen Kündigung setzt nach dem Gesetzeswortlaut und nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung nicht voraus, dass eine Gesundheitsbeschädigung der Mieter schon eingetreten ist. Es genügt vielmehr der begründete Verdacht einer Gesundheitsgefährdung, so dass die Kündigung selbst dann wirksam ist, wenn sich später die Unbegründetheit des Verdachts herausstellt (vgl. Staudinger/Emmerich, Kommentar zum BGB, 13. Aufl., § 544, Rdnr. 9; LG Lübeck, ZMR 1998, 434 f.).

Bei der Beurteilung der Gefährdung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, wobei eine erhebliche Gefährdung besonderer Personenkreise, wie z.B. von Kleinkindern genügt (vgl. Soergel-Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 544, Rdnr. 4; Schmidt-Futterer-Eisenschmid, Mietrecht, 7. Aufl., § 544, Rdnr. 9; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., IV. Rdnr. 155).

Es ist allgemein anerkannt, dass gesundheitlich gefährdende Zustände auch durch Pilz- und Schimmelbildung hervorgerufen werden können und damit zur fristlosen Kündigung berechtigen (Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 544, Rdnr. 17; Schmidt-Futterer, a.a.O., § 544, Rdnr. 19 m.w.Hinw.).

Der von den Beklagten eingeschaltete Sachverständige Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 22. Oktober 1998, das er unter maßgeblicher Mitwirkung des später als Gerichtssachverständiger beauftragten Dipl.-Ing. K. erstattet hat, aufgrund von Probenentnahmen am 6. Oktober 1998 in der Raumluft der Wohnung MVOC-Verbindungen festgestellt, die nach seinen Ausführungen auf einen verdeckten Schimmelpilzbefall hinweisen. Allerdings hat der Sachverständige K. in seinem Gutachten ausgeführt, dass die seinerzeit festgestellten MVOC-Verbindungen über die Indizierung eines verdeckten Schimmelpilzbefalls hinaus keine Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen zulassen, da dies weitere Maßnahmen mit dem Ziel eines kulturellen Nachweises von Schimmelpilzen voraussetze, die unstreitig nicht durchgeführt worden sind.

Aber auch unter Zugrundelegung dieses Gutachtens einschließlich der darin enthaltenen Bewertung, dass die Ausführungen des Sachverständigen B. in dessen Privatgutachten vom 25. August 1999 für die Frage der Gesundheitsgefährdung nicht aussagekräftig seien, lagen die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gem. § 544 BGB nach Auffassung der Kammer vor.

Denn nach den von der herrschenden Meinung entwickelten Maßstäben für eine Gesundheitsgefährdung kommt es gerade nicht entscheidend darauf an, ob im Ergebnis der „verdeckte Schimmelpiizhefall” für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten zu 1. und ihrer Kinder ursächlich geworden ist, sondern ob die Beklagten vernünftigenderweise eine derartige Gesundheitsgefahr annehmen konnten (vgl. LG Lübeck, ZMR 1998, 434) bzw. ob ein begründeter Gefahrverdacht vorlag, der auf nachweisliche, tatsächliche Risikomomente gestützt werden konnte (vgl. OLG Oldenburg, NJW RR 99, 241 f. m. Hinw. auf BGH NJW 89, 218).

So liegt der Fall hier.

Zunächst hatte der behandelnde Arzt der Beklagten und ihrer Kinder, Dr. G. den Beklagten gemäß Attest vom 19. April 1998 zu einer umweltmedizinischen Untersuchung geraten, um eine wohnraumbedingte gesundheitliche Belastung bei der Beklagten zu 1. und deren damals vierjähriger und einjähriger Tochter abklären zu lassen. Daraufhin hat eine Untersu...

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