Verfahrensgang
AG Lüneburg (Urteil vom 17.10.2019; Aktenzeichen 12 C 2/19) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen wird auf die Berufung der Kläger und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 17.10.2019 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018 gefassten Beschlüsse 5, 12 und 15 werden für ungültig erklärt.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit insoweit, als der auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018 gefasste Beschluss 10 angefochten worden ist, erledigt ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger zu 30 % und die Beklagten zu 70 %. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Kläger zu 78 % und die Beklagten zu 22 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Verfahren in erster Instanz auf 28.124,54 EUR (Beschlüsse 5, 8, 9, 10, 12, 13, 15, 17, 18, 19) und für das Berufungsverfahren auf 8.610,00 EUR (Beschlüsse 8, 9, 10, 12, 13, 15) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Parteien sind Mitglieder einer seit langem zerstrittenen Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie streiten um die Gültigkeit von Beschlussfassungen der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018, und zwar von Beschluss 5, 8, 9, 10, 12, 13, 15, 17, 18 und 19.
Das Amtsgericht hat die in der Eigentümerversammlung vom 04.12.2018 gefassten Beschlüsse zu 5, 8, 9 (soweit angefochten), 10, 12 und 13 für ungültig erklärt und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Die Kläger haben Berufung eingelegt, soweit die Klage in Bezug auf Beschluss 15 abgewiesen worden ist. Die Beklagte haben Berufung eingelegt, soweit das Amtsgericht die Beschlüsse 8, 9, 10, 12 und 13 für ungültig erklärt hat.
Von der weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Beide Berufungen sind zulässig; in der Sache hat die Berufung der Kläger vollumfänglich Erfolg, während die Berufung der Beklagten nur teilweise Erfolg hat.
1.
Die Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Dies gilt auch, soweit die Beklagten zu 3.) und 4.) zunächst zwar selbst keine Berufung eingelegt, dann im Verlauf des Berufungsverfahrens jedoch selbst auch Anträge gestellt haben. Die Berufung der Kläger und die Berufung der Beklagten zu 1.) und 2.) wirken für und gegen die Beklagten zu 3.) und 4.). Denn bei klagenden und beklagten Wohnungseigentümern im Beschlussmängelprozess handelt es sich jeweils um notwendige Streitgenossen, so dass die Streitgenossen, die von der Einlegung eines Rechtsmittels (zunächst) abgesehen haben, in der bisherigen Parteirolle als Kläger oder Beklagte weiter an dem Verfahren zu beteiligen sind (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2015 V ZR 76/14 – Rn. 10, 13, juris; Suilmann in: Jennißen, WEG, 6. Aufl., 2019, § 47 Rn. 18e, 19). Soweit nur die Beklagten zu 1.) und 2.) fristgerecht Berufung eingelegt haben, wirkt die Einhaltung dieser prozessualen Frist auch für die Beklagten zu 3.) und 4.) die erst mit der Berufungsbegründung ausdrücklich dem Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten zu 1.) und 2.) beigetreten sind.
2.
a)
Die Berufung der Kläger ist begründet.
aa) Beschluss 15
Der Beschluss 15 der Wohnungseigentümerversammlung vom 14.01.2018 ist mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft nichtig.
Mit dem angefochtenen Beschluss 15 hat die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, dass bis zum Beschluss einer Gebrauchs- und Nutzungsordnung der individuelle Gebrauch der Gemeinschaftsflächen grundsätzlich untersagt sein soll und zulässige legitime Nutzungen mindestens zwei Tage vorab anzumelden sein und nur durch die Gemeinschaft erfolgen sollen.
Gemäß § 13 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt. Seine Grenzen findet das Recht zum Mitgebrauch darin, dass bei der Ausübung des Mitgebrauchs den übrigen Wohnungseigentümern kein unvermeidbarer Nachteil entstehen darf (§ 14 WEG). Weitere Beschränkungen des Mitgebrauchs können die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung nach § 15 Abs. 1 WEG oder im Rahmen eines ordnungsgemäßen Gebrauchs durch Beschluss nach § 15 Abs. 2 WEG bestimmen.
Der angefochtene Beschluss enthält nicht nur eine Gebrauchsregelung im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG. Eine Gebrauchsregelung läge nur vor, wenn ein Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Wohnungseigentümer überhaupt vorgesehen wäre. Dies ist indessen nicht der Fall, weil nach dem Beschluss der individuelle Gebrauch der Gemeinschaftsflächen insgesamt untersagt wird und damit Gegenstand des Beschlusses ein Ausschluss des Mitgebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums ist. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Ausschluss des Mitgebrauchs mit einer Art Öffnungsklausel versehen ist dahin, dass eine individuelle Nutzung zulässig sein soll, wenn sie zwei Tage vorher angemeldet...