Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährleistung eines fairen Verfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Dem Angeklagten ist zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn ein Mitangeklagter einen (Pflicht)Verteidiger hat.
Verfahrensgang
AG Halberstadt (Entscheidung vom 19.08.2010; Aktenzeichen 3 Ds 805 Js 70914/10 (80/10)) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Halberstadt vom 19. August 2010, Aktenzeichen: 3 Ds 805 Js 70914/10 (80/10) aufgehoben-
Dem Angeklagten G. wird Rechtsanwalt G. als Verteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Magdeburg - Zweigstelle Halberstadt - vom 29. April 2010 wird dem Beschwerdeführer sowie dem Mitangeklagten XXXX zur Last gelegt, zwischen dem 12. April 2008 und dem 5. August 2008 in Halberstadt gemeinschaftlich handelnd eine Hehlerei begangen zu haben. Die Angeklagten haben sich nicht zur Sache eingelassen.
Mit Beschluss vom 8. Juni 2010 ordnete das Amtsgericht Halberstadt dem Mitangeklagten xxxxxx Rechtsanwalt F. aus Braunschweig gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO als Pflichtverteidiger bei. Den Antrag des Beschwerdeführers, ihm seinen Verteidiger, Rechtsanwalt G. aus Halberstadt, ebenfalls als notwendigen Verteidiger beizuordnen, lehnte das Amtsgericht mit Beschluss vom 19. August 2010 ab. Gegen diesen Beschluss erhob der Angeklagte 4/111096 mit anwaltlichem Schriftsatz vom 6. September 2010 Beschwerde, die er im Wesentlichen damit begründete, dass er gegenüber dem verteidigten Mitangeklagten in einer unterlegenen Stellung sei, insbesondere vor dem Hintergrund der Möglichkeit, dass dieser die Tat ihm zuschieben könnte.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Magdeburg zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Es ist zwar zutreffend, dass all die durch das Amtsgericht im ablehnenden Beschluss aufgezählten Gründe für die Nichtbeiordnung eines Verteidigers zutreffend sind. So lässt hier weder die Schwere der Tat noch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers als geboten erscheinen. Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO sind ebenfalls nicht erfüllt.
Allerdings ist unberücksichtigt geblieben, dass beide Angeklagte derselben Tat angeklagt sind und beide bislang geschwiegen haben. Der Angeklagte, dem in solcher Konstellation kein Verteidiger zur Seite steht, ist gegenüber dem Angeklagten, der verteidigt wird, von vomherein im Nachteil. Während der Mitangeklagte genau über den gegen sie erhobenen Vorwurf, soweit er in den Ermittlungsakten dokumentiert ist, über seinen Verteidiger, der jederzeit Akteneinsicht erhalten kann, informiert ist und seine Einlassung daran ausrichten kann, hätte der beschwerdeführende Angeklagte diese Möglichkeit nicht. Aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens muss daher gefolgert werden, dass auch dem Angeklagten ein Verteidiger zu bestellen ist, damit er in die Lage versetzt wird, sich sachgerecht zu verteidigen (so auch LG Magdeburg, 5. Strafkammer, Beschluss vom 29. Juni 2009, Aktenzeichen: 25 Qs 81/09).
Dem Angeklagten G. war daher Rechtsanwalt G. als Pflichtverteidiger beizuordnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs.1 StPO in entsprechender Anwendung.
Fundstellen