Tenor
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1. Die Haftung des Betriebsunternehmers einer Schienenbahn nach § 1 Abs. 1 des Haftpflichtgesetzes (HPflG) ist nicht nach § 1 Abs. 2 (HPflG) aufgrund von höherer ausgeschlossen, wenn die Halbschranken und Blinklichter des Bahnübergangs nur deshalb nicht funktioniert haben, weil rund zwei Stunden vor dem Zusammenstoß ein anderer Verkehrsteilnehmer mit seinem Fahrzeug den Schaltkasten der Schrankenanlage beschädigt hat.
2. Ein Verkehrsteilnehmer darf bei einem beschrankten Bahnübergang auf die Funktionstüchtigkeit der Halbschranken und des Blinklichts vertrauen, sofern sich dem Verkehrsteilnehmer etwaige Zweifel an der Funktionstüchtigkeit nicht erkennbar aufdrängen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom beklagten Eisenbahnverkehrsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls an einem Bahnübergang. Der Kläger ist Halter eines Kraftfahrzeugs. Mit diesem befuhr Frau K am 25. Oktober 2009 um 12.35 Uhr die Ortslage O und wollte einen Bahnübergang an der Bahnstrecke M-H passieren. Die Halbschranken des Bahnübergangs waren geöffnet. Weder das Blinklicht der Andreaskreuze noch die an den Halbschranken angebrachten Blinklichter waren in Betrieb, als sich Frau K dem Bahnübergang näherte. Eine ungehinderte Sicht auf das Bahngleis war ihr aufgrund von Bäumen und Büschen erst 3 Meter vor dem Bahngleis möglich. Als Frau K - aufgrund einer Bodenwelle in der Straße mit herabgesetzter Geschwindigkeit von rund 20 km/ h - zum Überqueren des Bahngleises ansetzte, stieß sie mit einer aus zwei Triebfahrzeugen gebildeten Zugeinheit der Beklagten zusammen, die sich dem Bahnübergang mit einer Geschwindigkeit von rund 100 km/ h aus Richtung H näherte. Für den Triebfahrzeugführer war der Bahnübergang durch ein am Bahngleis aufgestelltes Lichtsignal "Bü" gekennzeichnet. Nachdem der Triebfahrzeugführer bemerkt hatte, dass die Halbschranken nicht geschlossen waren, leitete er umgehend eine Vollbremsung ein.
Wie sich später herausstellte, funktionierten weder die Halbschranken noch die Blinklichter, weil rund zwei Stunden vor dem Zusammenstoß des Fahrzeugs des Klägers mit der Zugeinheit der Beklagten ein anderes Fahrzeug den Schaltkasten des Bahnüberganges beschädigt hatte. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes führte ein Mechaniker gerade Arbeiten an der Anlage aus. Die Infrastrukturanlagen der Bahnstrecke stehen im Eigentum der DB Netz AG, die Beklagte betreibt auf der Strecke lediglich einen Zugverkehr.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Signal dem Triebfahrzeugführer die Weiterfahrt gestattete. Der Kläger behauptet, das Signal habe funktioniert und dem Triebfahrzeugführer angezeigt, dass die Schranken des Bahnüberganges nicht geschlossen gewesen seien. Der Triebfahrzeugführer habe dieses Signal missachtet, so dass ein Verschulden vorliege.
Der Kläger macht Ersatz für den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Der Sachschaden beläuft sich auf 5.700 Euro (Wiederbeschaffungswert), die Gutachterkosten auf 497,09 Euro. Für das Bergen und Abschleppen sind Kosten von 1.115,63 Euro entstanden. Seinen Nutzungsausfall beziffert der Kläger für 20 Tage mit 700 Euro. Zusammen mit Kraftstoffkosten über 183,34 Euro, Kosten für die An- und Abmeldung des alten und neuen Fahrzeugs über 10,70 Euro und 45,20 Euro, den Nummernschildern für das neue Fahrzeug über 35,00 Euro sowie einer Pauschale von 25,00 Euro ergebe sich ein Gesamtschaden von 8.311,96 Euro.
Der Kläger beantragt deshalb,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.311,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2010 und weitere 718,40 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
Das Signal "Bü" habe dem Triebfahrzeugführer die Weiterfahrt gestattet. Weder der Triebfahrzeugführer noch die Beklagte habe den Zusammenstoß verhindern können. Deshalb liege ein "unabwendbares Ereignis" im Sinne des Haftpflichtgesetzes vor, welches eine Inanspruchnahme der Beklagten ausschließe. Außerdem bestreitet die Beklagte den Umfang des geltend gemachten Nutzungsausfalls.
Am 13. Juli 2010 hat Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Zum Inhalt der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen und verwiesen (Bl. 60 f. d.A.). Für Einzelheiten wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 1 Abs. 1 Haftpflichtgesetz (HPflG) in Höhe von 8.068,62 Euro zu.
Dieser Anspruch beruht auf Gefährdungshaftung und ist von einem Verschulden der Beklagten unabhängig. Die Kammer brauchte deshalb nicht der Frage nachzugehen, ob und inwieweit das Signal "Bü" dem Triebfahrzeugführer der Beklagten die Weiterfahrt gestattete. Allein der Umstand, dass die Beklag...