Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Verfahrensgang
AG Mainz (Urteil vom 03.07.1990; Aktenzeichen 7 C 1130/89) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 3. Juli 1990 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht der Klägerin ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung nicht zu, da weder die von ihr ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs noch die im Schriftsatz vom 26. April 1990 enthaltene fristlose Kündigung wirksam sind.
Soweit die Klägerin Eigenbedarf zugunsten ihrer Schwägerin geltend macht – weil diese auf finanzielle Unterstützung angewiesen und ihr zudem inzwischen gekündigt sei –, scheitert die Kündigung schon daran, daß es sich bei der Schwägerin der Klägerin nicht um eine Familienangehörige im Sinne des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB handelt. Nach heute ganz herrschender Meinung gilt hierfür nicht die Begriffsbestimmung in § 8 Abs. 2 WoBauG, da die sich hieraus ergebende weite Ausdehnung des Kreises der Familienangehörigen aus wohnungsbaupolitischen Gesichtspunkten mit dem Schutzzweck des § 564 b BGB, die möglichen Kündigungsgründe aus sozialen Gründen angemessen zu begrenzen, nicht vereinbar wäre. Voraussetzung ist vielmehr, soweit es nicht um engste Angehörige wie Eltern, Kinder, Geschwister und Schwiegereltern geht, neben dem Angehörigenverhältnis im familienrechtlichen Sinn ein sozialer Kontakt zwischen Vermieter und Angehörigem, der eine moralische Verpflichtung für den Wohnbedarf des Angehörigen ergibt (vgl. Staudinger-Emmerich, BGB, 12. Aufl., § 564 Rdnr. 38; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl, B 487; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV 139; Palandt-Futzo, BGB, 49. Aufl., § 564 b Anm. 7 a bb; LG München WM 91, 107 f; AG Frankfurt WM 91, 108). Diese Auffassung hat auch die Kammer bereits vertreten (Urteil vom 19. Juni 1990 – 3 S 23/90 betr. Neffen). Auch Schwager und Schwägerin können danach Familienangehörige im Sinne des § 564 b BGB sein, sofern die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Im vorliegenden Fall fehlen hierfür jedoch hinreichende Anhaltspunkte. Insbesondere ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen, inwiefern ein sozialer Kontakt zwischen ihr und ihrer Schwägerin – der Schwester ihres Ehemannes – besteht, die unstreitig nicht in der Nähe von M., sondern seit acht Jahren in K. bei S. wohnt. Allein der Umstand, daß der Schwägerin der Klägerin gekündigt worden ist, begründet noch keine moralische Verpflichtung zur Gewährung von Unterkunft, wenn nicht bereits bislang ein engerer persönlicher Kontakt zu ihr bestand.
Soweit die Klägerin geltend macht, ihre Schwägerin solle in ihr Haus einziehen, um so die Betreuung ihrer dort wohnenden pflegebedürftigen Schwiegermutter (der Mutter ihrer Schwägerin) zu übernehmen, geht es zwar um Eigenbedarf zugunsten der Schwiegermutter der Klägerin. Daß diese als enge Familienangehörige zu dem von § 564 b BGB erfaßten Angehörigenkreis gehört, steht außer Frage, zumal sie in der Nähe der Klägerin im deren Haus wohnt und daher von einem engen persönlichen Kontakt ausgegangen werden kann. Gleichwohl ist die Kündigung auch unter dieser Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt. Hierbei kann offenbleiben, ob die Schwiegermutter der Klägerin, die aufgrund eines Hüftleidens schwerbehindert ist, tasächlich pflegebedürftig ist. Wie sich aus dem vorgelegten Schwerbehindertenausweis ergibt, lag die Schwerbehinderung bereits 1986, also vor Abschluß des Mietvertrags mit den Beklagten vor; dem entspricht es, daß ihr nach Aussage ihrer Tochter, der Zeugin D., vor ca. fünf Jahren, also 1985, ein neues Hüftgelenk eingesetzt wurde. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aus Gründen, die im wesentlichen unvarändert bereits bei Abschluß des Mietvertrags vorlagen, ist jedoch nach ganz herrschender Meinung nicht zulässig (BVerfG WM 89, 114, 118 unter 3; Schmidt-Putterer/Blank, a.a.O., B 492).
Die Klägerin könnte sich zur Begründung des Eigenbedarfs auf die Behinderung ihrer Schwiegermutter daher nur stützen wenn insoweit in der Zwischenzeit eine wesentliche Verschlechterung eingetreten wäre. Hierfür ist jedoch konkret nichts dargetan; auch die Aussage der Zeugin D. ergibt hierfür nichts.
Die Klägerin kann das Mietverhältnis schließlich auch nicht gemäß § 554 a BGB fristlos kündigen, weil der Beklagte zu 1) das Bauaufsichtsamt davon in Kenntnis gesetzt hat, daß die Klägerin einzelne Wohneinheiten des Hauses gewerblich nutze, verbunden mit der Antrage, ob dies zulässig sei. Der Beklagte zu 1) hat hiermit – wie unstreitig ist – keine falschen Tatsachen behauptet. Auch besteht insofern ein Zusammenhang mit der Kündigung des Mietverhältnisses, als sich die Frage stellt, ob der Vermieter sich auf Eigenbedarf berufen kann, wenn er baurechtlich unzulässig anderen Wohnraum gewerblich nutzt. Auch wenn dies letztlich zu verneinen sein dürfte,...