Leitsatz (amtlich)
Eine im Erkenntnisverfahren erfolgte Pflichtverteidigerbestellung wirkt im Verfahren über den Wiederaufnahmeantrag nicht fort.
Tenor
Gründe
I.
Das Amtsgericht Karlsruhe erließ am 01.06.2006 gegen A. S. I. einen Strafbefehl wegen des Verdachts der mittelbaren Falschbeurkundung in elf Fällen. Gegen diesen Strafbefehl legte Rechtsanwalt C W namens des Beschuldigten einen auf acht dieser Taten beschränkten Einspruch ein und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 11.07.2006 wurde er antragsgemäß zum Pflichtverteidiger des Beschuldigten bestellt.
In der Hauptverhandlung vom 28.07.2006 wurde A. S. I. durch das Amtsgericht Karlsruhe unter Freispruch im Übrigen wegen mittelbarer Falschbeurkundung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Berufung ein, welche durch das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 16.11.2006 verworfen wurde. Die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft Karlsruhe wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 07.12.2007 verworfen.
Am 18.03.2008 stellte Rechtsanwalt C W "als Pflichtverteidiger des Angeklagten" einen Wiederaufnahmeantrag mit dem Ziel, dass der Verurteilte auch von den drei verbliebenen Fällen freigesprochen werde. Dieser Antrag wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 22.04.2008 als unzulässig verworfen. Die gegen diese Entscheidung von Rechtsanwalt C W "als Pflichtverteidiger des Angeklagten" eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Landgericht Mannheim durch Beschluss vom 09.06.2008 als unbegründet verworfen.
Am 18.12.2009 stellte Rechtsanwalt C W einen "Kostenfestsetzungsantrag für Pflichtverteidigung", mit dem er einen Betrag von EUR 556,92 geltend machte. Dieser Antrag wurde durch den Rechtspfleger des Amtsgerichts Mannheim am 28.12.2009 zurückgewiesen, da sich die Pflichtverteidigerbestellung aus dem Ursprungsverfahren nicht auf das Wiederaufnahmeverfahren erstreckt habe. Gegen diese Entscheidung legte Rechtsanwalt C W am 20.01.2010 "sofortige Beschwerde" ein, welche vom Amtsgericht Mannheim als Erinnerung gewertet und durch Beschluss vom 08.02.2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dieser Beschluss wurde Rechtsanwalt N W, der im Jahr 2010 allgemeiner Vertreter von Rechtsanwalt C W ist, am 18.02.2010 zugestellt.
Rechtsanwalt N W legte am 25.02.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 08.02.2010 Beschwerde ein. Das Amtsgericht Mannheim hat der Beschwerde mit Verfügung vom 26.02.2010 nicht abgeholfen; die Staatsanwaltschaft beantragt mit Verfügung vom 03.03.2010, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
1.
Die innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§§ 33 Abs. 3 Satz 3, 56 Abs. 2 RVG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht Mannheim hat im Ergebnis zu Recht die Erinnerung gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 28.12.2009 zurückgewiesen. Der Rechtspfleger hatte den Kostenfestsetzungsantrag des Rechtsanwalts C W für das Wiederaufnahmeverfahren nämlich seinerseits zu Recht zurückgewiesen. Ein Anspruch des Rechtsanwalts auf Pflichtverteidigergebühren war nicht entstanden.
Rechtsanwalt C W war im Verfahren über den Wiederaufnahmeantrag nicht zum Pflichtverteidiger des Verurteilten bestellt worden. Ein Gebührenanspruch wäre daher nur dann entstanden, wenn die im Ursprungsverfahren erfolgte Pflichtverteidigerbestellung im Wiederaufnahmeverfahren fortgewirkt hätte. Die damit vorliegend entscheidungserhebliche Frage, ob eine solche Fortwirkung besteht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten ( 2. ); sie ist nach Auffassung der Kammer indes zu verneinen ( 3. ).
2.
Nach § 364a StPO bestellt das für die Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, auf Antrag einen Verteidiger für das Wiederaufnahmeverfahren, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers für das Wiederaufnahmeverfahren setzt daher voraus, dass der Verurteilte zum Zeitpunkt der Bestellung noch unverteidigt ist. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht in diesem Zusammenhang in den Fällen, in denen dem Verurteilten im Ursprungsverfahren ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, davon aus, dass diese Bestellung fortwirkt, der Verurteilte also bereits einen Verteidiger hat und eine Pflichtverteidigerbestellung nach § 364a StPO in diesen Fällen folglich ausscheidet ( a. ), während die Gegenmeinung eine solche Fortwirkung verneint und davon ausgeht, dass eine - erneute - Pflichtverteidigerbestellung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 364a StPO erforde...