Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung und Herausgabe. Sofortige Beschwerde
Verfahrensgang
AG Mannheim (Beschluss vom 13.05.1993; Aktenzeichen 8 C 383/92) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner wird der Beschluß des Amtsgerichts Mannheim vom 13.05.1993 (8 C 383/92) wie folgt abgeändert:
Den Schuldnern wird eine Räumungsfrist bis 31.10.1993 gewährt.
2. Die Gläubigerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
3. Der Beschwerdewert wird auf 4.384,80 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Nach dem vor dem Amtsgericht am 04.11.1992 geschlossenen Vergleich sind die Schuldner verpflichtet, ihre Wohnung zum 30.04.1993 zu räumen und an die Gläubigerin herauszugeben.
Mit Schriftsatz vom 07.04.1993 haben die Schuldner beantragt, die Räumungsfrist um mindestens 6 Monate „zu verlängern”.
Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 13.05.1993 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Schuldner form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.
1. Nach §794 a Abs. 1 ZPO kann einem Schuldner, der sich in einem Vergleich zur Räumung von Wohnraum verpflichtet hat, auf Antrag eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist bewilligt werden.
Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, daß die Bewilligung einer gerichtlichen Räumungsfrist im Anschluß an die im Vergleich vereinbarte Frist nur dann möglich sei, wenn sich nach dem Vergleichsabschluß neue, nicht vorhersehbare Schwierigkeiten ergeben. Diese Ansicht wird auch von einem Teil der Rechtsprechung vertreten (z.B. LG Darmstadt, WM 90, 28). Zur Begründung wird ausgeführt, daß der Schuldner durch den Vergleichsabschluß zum Ausdruck bringe, daß er auf jeden Fall zum vereinbarten Termin ausziehen werde.
Diese Meinung teilt die Kammer nicht: Nach der Erfahrung der Kammer werden Räumungsvergleiche der vorliegenden Art in der Regel deshalb geschlossen, weil der einsichtige Mieter erkennt, daß er die Wohnung aufgrund der gegebenen Rechtslage herausgeben muß und weil der Vermieter weiß, daß dem Mieter bei streitigem Verfahrensfortgang eine Räumungsfrist nach §721 Abs. 1 ZPO gewährt wird. So betrachtet stellt sich der Räumungsvergleich als ein auf der Vernunft der Parteien beruhender Verfahrensabschluß dar, durch den im Ergebnis das Gleiche erreicht werden soll, was bei streitigem Verfahrensfortgang durch das Urteil erreicht werden könnte. Bei dieser Sachlage ist es aber nicht einzusehen, warum der Mieter im Falle des Vergleichs hinsichtlich der „Verlängerung” der Räumungsfrist schlechter stehen sollte, als er im Falle des Urteils stehen würde. Eine solche Schlechterstellung wäre gegeben, wenn man die vom Amtsgericht vertretene Ansicht für richtig hält, weil die durch Urteil gewährte Frist verlängert werden kann und in der Regel auch verlängert wird, wenn der Mieter trotz hinreichender Bemühungen keine Ersatzwohnung gefunden hat; auf eine Änderung der zum Zeitpunkt der ersten Räumungsfristbewilligung gegebenen Verhältnisse kommt es dabei nicht an.
Es bedarf aus der Sicht der Kammer keiner weiteren Darlegung, daß die vom Amtsgericht vertretene Ansicht auch zu rechtspolitisch unerwünschten Folgen führt: Kein verantwortungsbewußter Rechtsanwalt könnte seiner Partei zu einem Räumungsvergleich raten, solange diese noch keine Ersatzwohnung gefunden hat. Die Gerichte wären nach dem Verständnis der Kammer ebenfalls gehalten, den Mieter darauf hinzuweisen, daß das Räumungsurteil dem Räumungsvergleich vorzuziehen sei. Eine solche Rechtspraxis steht mit §279 Abs. 1 ZPO nicht im Einklang und ergibt jedenfalls dort keinen Sinn, wo die Sach- und Rechtslage eindeutig ist. So lagen die Dinge hier: Die Herausgabepflicht der Schuldner stand zweifelsfrei fest, weil aus einem durch Kündigung beendeten Mischmietverhältnis, auf das Gewerberaummietrecht anzuwenden ist, kein Wohnraummietverhältnis wird, wenn der Mieter lediglich die Gewerberäume zurückgibt und die Wohnräume weiterhin in Besitz behält. Mithin konnte vorliegend lediglich über die Frage der Räumungsfrist ernsthaft verhandelt werden. Von dieser Sach- und Rechtslage sind die Verfahrensbeteiligten bei Abschluß des Vergleichs auch offensichtlich ausgegangen.
2. Die Gläubiger in hat vorgetragen, daß eine Räumungsfrist bereits deshalb nicht zu gewähren sei, weil das betreffende Mietverhältnis als gewerbliches Mietverhältnis angesehen werden müsse. An diesen Ausführungen ist richtig, daß die Vermietung von Gaststättenräumen und Wohnräumen aufgrund eines einheitlichen Vertrags als Mischraummietverhältnis anzusehen ist, dessen Schwerpunkt im gewerblichen Bereich liegt. Gleichwohl kann auch hier eine Räumungsfrist für die Wohnräume gewährt werden, wenn die getrennte Rückgabe der Wohnräume einerseits und der Geschäftsräume andererseits tatsächlich möglich, wirtschaftlich sinnvoll und dem Vermieter zumutbar ist (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., Rdn. B 420).
Die beiden erstgenannten Voraussetzungen liegen zweifelsfrei vor, weil die Wohnung von der Gaststätte ...