Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz bei tödlichem Radfahrerunfall: Mitverschulden des bei Rotlicht über eine Radfahrerampel fahrenden Fahrradfahrers bei Kollision mit einem Pkw. Erstattung der Beerdigungskosten an nahe Angehörige des Unfallopfers aus Geschäftsführung ohne Auftrag und Aufrechnung mit Gegenforderungen gegen den Getöteten
Verfahrensgang
AG Mannheim (Entscheidung vom 30.06.2006; Aktenzeichen 12 C 211/05) |
Tenor
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 30.06.2006 - 12 C 211/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 940,72 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.)
Die zulässige Berufung der Beklagten ist zum Teil begründet. Sie führt dazu, dass die Beklagte nur 1/4 der der Klägerin erwachsenen Bestattungskosten, mithin EUR 940,72 zu tragen hat.
Das Amtsgericht hat zu Recht erkannt, dass sich der Anspruch auf Erstattung der von der Klägerin aufgewendeten Kosten für die Beerdigung ihres Vaters dem Grunde nach aus §§ 677, 683, 670 BGB in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 2 StVG ergibt.
Die Beklagte hat gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG für die bei dem streitgegenständlichen Unfall dem Unfallopfer entstandenen Schäden zu 25% aufzukommen.
Sie haftet für den streitgegenständlichen Unfall aus §§ 18 Abs. 1 StVG. Sie hat unstreitig das unfallbeteiligte Kraftfahrzeug geführt, ohne dass sich der Unfall für sie als höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) darstellte und ohne dass sie bewiesen hat, dass sie diesen nicht verschuldet hat. Das in dem vorangegangenen Strafverfahren eingeholte Unfallrekonstruktionsgutachten (I, 75 - 92) hat vielmehr ergeben, dass sie um mindestens 1,8 Sekunden verspätet auf den die Fahrbahn querenden Radfahrer reagiert hat und dass der Unfall vermieden worden wäre, wenn sie in dem Moment, in dem sie den Radfahrer hätte erkennen können, eine Vollbremsung eingeleitet hätte. Dann hätte sie unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 1 Sekunde den von ihr geführten Pkw 12 m vor der Kollisionsstelle zum Stillstand bringen können.
Ihre Haftung wird jedoch durch ein erhebliches Mitverschulden des Vaters der Klägerin eingeschränkt. Dieser hat die Straße mit dem Fahrrad überquert, obwohl die für ihn geltende Ampel rot zeigte und hierdurch den Unfall in weitaus überwiegendem Maße verursacht. Die Kammer erachtete daher eine Haftungsquote der Beklagten von 25% für angemessen.
Zu dem von der Beklagten zu erstattenden Schäden gehören gemäß §§ 10 Abs. 1 Satz 2 StVG auch die Bestattungskosten. Diese sind demjenigen zu erstatten, der verpflichtet ist diese zu tragen. Hierzu gehört die Klägerin nicht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie Erbin des Unfallopfers geworden ist oder diesem zum Unterhalt verpflichtet war (§§ 1968, 1615 Abs. 2 BGB).
Der Klägerin oblag jedoch als naher Angehöriger die Totenfürsorge für ihren verstorbenen Vater, welche sie unstreitig auch wahrgenommen hat.
Nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, hat derjenige, der als naher Angehöriger eines an den Folgen eines Unfalls Verstorbenen im Rahmen seiner Verpflichtung zur Totenfürsorge die Beerdigungskosten getragen hat, ohne hierzu verpflichtet zu sein, weil er nicht zu den Erben/Unterhaltsverpflichteten gehört, nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Erben, sondern auch gegen den Unfallschädiger aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. KG, OLGZ 1979, 428; OLG Saarbrücken Vers. R 1964, 1257; MüKo, BGB, 4. Aufl., § 844 Rdnr. 15; Palandt, BGB, 65. Aufl. 844, Rdnr. 4; Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 844, Rdnr. 37). Derjenige, der nach einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang die Kosten der Bestattung des Getöteten auf sich nimmt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, führt ein fremdes Geschäft. Er kann Befreiung bzw. Ersatz für die Kosten der Beerdigung von demjenigen verlangen, der für die Kosten aufzukommen hat. Das ist nicht nur der Erbe und/oder der Unterhaltsverpflichtete (§§ 1968, 1615 Abs. 2 BGB) sondern auch der zum Ersatz der Kosten verpflichtete Schädiger. Dieser ist zwar nicht gehalten, die Beerdigung als solche vorzunehmen. Er ist aber gemäß § 10 Abs. 1 StVG verpflichtet, deren Kosten zu bezahlen. Von dieser Verpflichtung ist die Beklagte dadurch befreit worden, dass die Klägerin, als Nichterbin und nicht zum Unterhalt Verpflichtete, die Beerdigung durchgeführt hat. Die Klägerin hat in Geschäftsführerabsicht deren Kosten dadurch übernommen, dass sie entsprechende Verbindlichkeiten eingegangen ist. Sie hat zwar für die Beerdigung aufgrund ihrer persönlich...