Verfahrensgang
AG Kirchhain (Urteil vom 29.04.2004; Aktenzeichen 7 C 315/02) |
Gründe
Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie auf die Schriftsätze (nebst Anlagen) der Beklagten vom 15.07.2004 (Bl. 272 ff. d.A.) und vom 31.01.2005 (Bl. 304 ff. d.A.) sowie der Kläger vom 25.08.2004 (Bl. 289 ff. d.A.), vom 03.09.2004 (Bl. 299 d.A.), vom 09.02.2005 (Bl. 316 f. d.A.) und vom 11.02.2005 (Bl. 320 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagten wenden sich gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Gestattung der Zufahrt sowie zur Beseitigung des Überhangs und beantragen,
das Urteil des Amtsgerichts Kirchhain abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt, als sie bis zur Höhe von 3 m den Überhang, soweit er die zwischen den beiden Grundstücken der Parteien stehenden Bäume betrifft, selbst entfernt haben, und beantragen im Übrigen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten widersetzen sich der Erledigungserklärung der Kläger.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
A. Prozessuales
Es kann dahinstehen, ob die Klage auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2) ursprünglich zulässig war oder nicht, weil ihr entgegen der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 b des Gesetzes zur Regelung der außergerichtlichen Streitschlichtung kein Güteverfahren vorgeschaltet worden ist (für Entbehrlichkeit eines derartigen Verfahrens bei objektiver Klagehäufung auch ohne einen Zusammenhang zwischen den Streitgegenständen - also noch weitergehend als das Amtsgericht - LG Aachen, MDR 2002, 906). Jedenfalls führt nach Auffassung der Kammer eine hieraus resultierende Unzulässigkeit nicht dazu, dass auch nach einer erstinstanzlichen Entscheidung, die zu Unrecht von der Zulässigkeit ausgegangen ist, die Klage aus diesem Grunde noch im Berufungsverfahren abzuweisen wäre. Denn damit würde die vom erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit aus einem formalen Gesichtspunkt hinfällig. Dies zu vermeiden ist u.a. Sinn der §§ 513 Abs. 2, 545 Abs. 2 ZPO (s. Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 513, Rdn. 6, § 545, Rdn. 12, jeweils mit Nachweis der Gesetzesmaterialien). Ebenso wie die Missachtung von Zuständigkeitsvorschriften keinen Einfluss auf die dann getroffene Sachentscheidung hat, ist dies bei der Missachtung des vorgeschalteten Streitschlichtungsverfahrens der Fall. Der Zweck einer gütlichen Einigung, die auch Ziel des gerichtlichen Verfahrens ist (§ 278 Abs. 1 ZPO), kann offenkundig nicht mehr erreicht werden, wenn es bereits zu einer erstinstanzlichen Entscheidung gekommen ist. Es wäre daher bloße Förmelei und widerspräche jeglicher Prozessökonomie, wenn man trotz eines bis zur abschließenden Entscheidung gelangten erstinstanzlichen Verfahrens eine Klage aus diesem Grund als unzulässig abwiese, um dann ggf. - nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens - die Gerichte erneut mit derselben Sache zu belasten. Zwar hat der BGH entschieden, dass der Einigungsversuch nicht nach Klageerhebung nachgeholt werden kann (was bislang umstritten war), sondern eine Klage, der ein Einigungsversuch nicht vorausgegangen war, als unzulässig abzuweisen ist, und hat damit ein die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Amtsgerichts zurückweisendes landgerichtliches Urteil bestätigt (BGH, Urteil vom 23.11.2004 - VI ZR 335/03). Insoweit hat er auch das Argument der Prozessökonomie nicht gelten lassen mit der Erwägung, bei folgenloser Nachholbarkeit könne sich das obligatorische Schlichtungsverfahren im Bewusstsein der Rechtssuchenden und der Anwaltschaft kaum als dem gerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschaltete Institution etablieren. Diese Argumentation basiert aber auf der Konstellation, dass das erstinstanzliche Gericht ein Streitschlichtungsverfahren grundsätzlich für erforderlich und die Klage daher für unzulässig hält. Hält es jedoch - wie hier - die ohne Schlichtungsverfahren erhobene Klage von vornherein für zulässig, kann notwendigerweise durch seine Entscheidung auf das Rechtsbewusstsein im Hinblick auf die Vorschaltung eines Güteverfahrens in keiner Weise eingewirkt werden. Diese Funktion aber dann - bei tatsächlicher Erforderlichkeit des Schlichtungsverfahrens - den höheren Instanzen übertragen zu wollen, mit der Folge, dass eine erstinstanzlich im Übrigen zutreffend entschiedene Klage als unzulässig abzuweisen wäre, würde über das vom BGH formulierte Ziel hinausschießen. Vielmehr muss es hier bei dem oben bereits erwähnten Rechtsgedanken der §§ 513 Abs. 2, 546 Abs. 2 ZPO bleiben, eine in erster Instanz erarbeitete Sachentscheidung nicht aus einem formalen Gesichtspunkt heraus hinfällig werden zu lassen. Die Annahme des erstinstanzlichen Gerichts, das Schlichtungsverfahren sei entbehrlich, ist mithin vom Berufungsgericht nicht mehr zu überprüfen.
Insoweit hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung und erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die ...