Entscheidungsstichwort (Thema)
Beseitigung
Verfahrensgang
AG Günzburg (Aktenzeichen 3 C 1040/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts … vom 25.09.1995
insoweit aufgehoben, als die Klage auf die Beseitigung der Fichten abgewiesen wurde.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die an der Grenze ihres Grundstücks … zum Grundstück des Klägers … jeweils … befindlichen zehn Fichten zu beseitigen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits der I. Instanz tragen die Kläger 1/9, die Beklagten gesamtschuldnerisch 8/9.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Kläger kann als Miteigentümer des Grundstücks … … gemäß Art. 47 Abs. 1 AGBGB die Beseitigung der auf dem Nachbargrundstück der Beklagten … im Grenzbereich gehaltenen 10 Fichten verlangen.
1. Wie von den Beklagten nicht substantiiert bestritten wird, haben die Fichten einen Abstand von 60 cm (1 Baum) und 100 cm (9 Bäume) von der Grundstücksgrenze. Sie sind derzeit unstreitig ca. 4,80 m hoch.
Da nach Art. 47 Abs. 1 AGBGB im Abstandsbereich von 0,5 bis 2 m auf Verlangen des Nachbarn keine Bäume, die über 2 m hoch sind, gehalten werden dürfen, kann der Kläger die Beseitigung der 10 Fichten verlangen.
2. Der Beseitigungsanspruch des Klägers ist noch nicht verjährt.
Nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 AGBGB verjährt der Beseitigungsanspruch nach Art. 47 Abs. 1 AGBGB in 5 Jahren, wobei der Lauf dieser Frist mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Verletzung der Abstandsvorschriften erkennbar wird (Art. 52 Abs. 1 Satz 3 AGBGB). Maßgeblich nach Sinn und Wortlaut der Vorschrift ist dabei der Zeitpunkt, in dem die Gewächse erkennbar die Höhe von 2 m überschritten haben (Meisner-Ring-Götz, Nachbarrecht in Bayern, 7. Auflage, § 18 RdNr. 9; Sprau, Justizgesetze in Bayern, RdNr. 6 zu Art. 52 AGBGB; Stadler. Nachbarrecht in Bayern, 5. Auflage, 11 A II Anm. 2; derselbe BayVBl 1990, 9 ff.; LG Regensburg vom 03.11.1987 zitiert bei Stadler, Nachbarrecht aaO; AG Viechtach NJW-RR 1990, 401).
Nach dem in der Berufungsinstanz erholten Gutachten eines öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für Forstwirtschaft erreichten die Fichten Mitte 1989 die Hohe von 2 m und wiesen im Herbst 1989 ein Höhenwachstum von 2,10 m auf. Dem Gutachten wurde dabei zugrundegelegt, daß – wie von den Beklagten behauptet – die Fichten 1987 gepflanzt wurden und unstreitig eine Pflanzhöhe von 1,5 m hatten. Das überzeugende Gutachten wird von den Parteien nicht angegriffen. Der Lauf der Verjährung begann demnach am 01.01.1990 und wurde spätestens mit der Zustellung der am 19.08.1994 eingereichten Klage am 09.09.1994 vor ihrem Ablauf (31.12.1994) rechtzeitig unterbrochen (§ 209 Abs. 1 BGB, §§ 253 Abs. 1, 270 Abs. 3 ZPO).
Der Auffassung, bei Gewächsen, die erkennbar ein Wachstum von mehr als 2 m Höhe erreichen würden, beginne die Verjährungsfrist bereits mit der Pflanzung (so insbesondere OLG Nürnberg, veröffentlicht bei Bayer-Lindner, Nachbarrecht in Bayern, 1. Auflage, Seite 193 f.) vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Diese Meinung erscheint mit geltendem Recht nicht vereinbar (dazu ausführlich Stadler BayVBl a.a.O.).
Auch die von Bayer-Lindner-Grziwotz (Nachbarrecht in Bayern, 2. Auflage, Kapitel 9 A II 2) vertretene etwas differenzierende Meinung, die Verjährung beginne jedenfalls dann mit der Pflanzung, wenn das „natürliche Wachstum und dessen übliche Haltung im Normalfall eindeutig auf mehr als 2 m angelegt” seien, findet im Gesetz keine Stütze. Sie erscheint außerdem zur Lösung des nachbarschaftlichen Konfliktsverhältnisses wenig hilfreich: Der Grundstückseigentümer hat grundsätzlich erst dann Anlaß sich gegen eine Pflanzung auf dem Nachbargrundstück zu wenden, wenn er in seinen Rechten beeinträchtigt ist, in Fällen, wie dem vorliegenden also dann, wenn die Gewächse einen dem Art. 47 Abs. 1 AGBGB widersprechenden Zustand erreicht haben. Hinzu kommt, daß auf eine „übliche Haltung im Normalfall” schon deshalb nicht abgestellt werden kann, weil jedes Gewächs grundsätzlich in einer Höhe von 2 m gehalten oder vor Überschreiten dieser Höhe wieder entfernt werden kann. Bis dahin hat der das Gewächs haltende Nachbar die volle Entscheidungsfreiheit darüber, wie er mit ihm verfahren will. Er ist demnach auch nicht verpflichtet, dem Nachbarn zu erklären, wie das Gewächs endgültig gehalten werden soll. Eine Reaktion des künftig nur möglicherweise beeinträchtigten Nachbarn schon nach der Pflanzung (möglicherweise durch Feststellungsklage) wäre zudem in zahlreichen Fällen geeignet, den nachbarlichen Frieden unnötig zu stören. Andererseits würden die Nachbarn, die sich – wie es wohl auch dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis entspricht – erst bei vorhandener tatsächlicher Beeinträchtigung zur Wehr setzen, in zahlreichen Fällen ihres Beseitigungsanspruchs in nicht vertretbarer Weise verlustig gehen, wobei die Meinung, die auf den Zeitpunkt der Pflanzung abstellt, bei langsamer wachsenden Pflanzen sog...