Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderung

 

Verfahrensgang

AG Neu-Ulm (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen 4 C 384/05)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 29.06.2005 wird

zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung restlichen Anwaltshonorars, nämlich einer Terminsgebühr in Höhe von 775,20 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und Zinsen.

Am 27.12.2004 beauftragte der Beklagte die Klägerin, welche eine Anwaltskanzlei in Form einer Partnerschaft betreibt, mit der Wahrnehmung seiner Interessen, insbesondere mit der Einreichung einer Kündigungsschutzklage, nachdem ihm am selben Tage die Kündigung seines Arbeitgebers vom 21.12.2004 zum 31.01.2005 zugegangen war.

Noch vor Einreichung einer Kündigungsschutzklage kam es infolge zweier telefonischer Verhandlungen zwischen Rechtsanwalt von der Klägerin und dem anwaltschaftlichen Vertreter der Arbeitgeberfirma des Beklagten vom 27.12. und 28.12.2004 zu einem Vergleich. Die von der Klägerin dem Beklagten gestellte Gebührenrechnung wurde bezahlt mit Ausnahme der berechneten Terminsgebühr.

Das Amtsgericht Neu-Ulm gab der Klage vollumfänglich statt.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte das Ziel der Aufhebung des Ersturteils und der Abweisung der Klage. Er rügt, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei, dass eine Terminsgebühr auch ohne Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens anfallen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die Berufungsbegründung und die Erwiderung hierauf sowie die weiteren gewechselten Schriftsätze und das Hauptverhandlungsprotokoll vom 09.11.2005 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn der Klägerin steht auf Grund des Anwaltsvertrags auch die bislang nicht bezahlte Terminsgebühr nach Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in Verbindung mit Vorbemerkung 3 III zum RVG zu. Die Terminsgebühr ist nämlich angefallen infolge der beiden telefonischen Besprechungen. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt der Anfall einer Terminsgebühr nach Ansicht der Berufungskammer nicht voraus, dass bereits ein Rechtsstreit bei Gericht anhängig ist. Es genügt vielmehr, dass Klageauftrag erteilt wurde und eine Mitwirkung an einer auf die Vermeidung des Verfahrens gerichteten Besprechung erfolgte.

Die Kammer folgt insoweit der Ansicht des Amtsgerichts Neu-Ulm, welche so auch bereits vertreten wurde vom Amtsgericht Zeven (Urteil vom 15.04.2005, 3 C 85/05, AGS 2005, 254 ff.) sowie zahlreichen Stimmen in der Literatur (Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage, 2005, Rn. 11, 23104 VV zum RVG m.w.N.; Bischof, Juristisches Büro 2004, 296 ff.; Schons NJW 2005, 3089 ff.; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Auflage 2004, VV Vorbemerkung 3 Rn. 84).

Die gegenteilige Ansicht, vertreten beispielsweise vom Amtsgericht Düsseldorf (Urteil vom 19.08.2005, 27 C 1262/05) und AG Frankfurt/Main (Urteil vom 26.08.2005, 29 C 1575/05-69), sowie Gebauer/Schneider, Anwaltskommentar-RVG, 2. Auflage, VV Vorbemerkung 3 Rn. 127, überzeugt demgegenüber nicht.

Entscheidend für die Kammer ist der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alternative 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG, wonach die Terminsgebühr entsteht für „die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts”.

Ist ein Verfahren nämlich erst einmal anhängig, so kann es nicht mehr vermieden, sondern nur noch erledigt werden (letzteres wäre dann die 4. Alternative der Vorbemerkung 3).

Die Worte „ohne Beteiligung des Gerichts” können sich dabei sinnvollerweise nur auf die 4. Alternative „… Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen …”) beziehen, denn logischerweise muss die „Vermeidung des Verfahrens” noch ohne Beteiligung des Gerichts erfolgen.

Weder ausdrücklich noch versteckt finden sich Rechtshängigkeit oder Anhängigkeit als Voraussetzung für die Entstehung der Terminsgebühr im Sinne der 3. Alternative der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zum Vergütungsverzeichnis. Angesichts des Wortlauts der Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG ist nicht ersichtlich, dass durch den Wegfall der außergerichtlichen Besprechungsgebühr nach § 118 Nr. 2 BRAGO und die völlig anders gelagerte Regelung der Gesetzgeber die Prozessvermeidung durch vorgerichtliche Besprechungen entgegen dem Wortlaut nicht gebührenmäßig honorieren wollte, sondern sein Wille zum Ausdruck gekommen wäre für Besprechungen vor Anhängigkeit eines Verfahrens keinesfalls eine „Besprechungsgebühr” bzw. nun Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV anfallen lassen zu wolle...

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