Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallersatztarif. Mietwagenkosten. Schwacke-Liste

 

Leitsatz (amtlich)

Sind Mietwagenkosten als Herstellungsaufwand zu ersetzen, ist es grundsätzlich zulässig, zur Bestimmung des am Markt üblichen Normaltarifs in Ausübung tatrichterli-chen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf den "Schwacke-Automietpreis-Spiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zurückzugreifen. Um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzgeschäfts im Vergleich zur "normalen" Autovermietung angemessen zu berücksichtigen, ist ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif (ohne Voll- und Teilkaskoversicherung) in Höhe von 20 % angemessen.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1 S. 1; BGB § 249 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 29. November 2010 (Az. 32 C 430/09) teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 475,14 € nebst Zinsen in Höhe von 10 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagte zu 52 % und der Kläger zu 48 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Berufungswert: 913,47 €

 

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen den beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer Ansprüche auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten geltend.

Bei einem Verkehrsunfall am 15. Juni 2009 in Viersen wurde das Fahrzeug des Klägers durch ein Fahrzeug beschädigt, das bei der Beklagten haftpflichtversichert ist. Die volle Haftung der Beklagten steht außer Streit. Am 15. Juni 2009 mietete der Kläger wegen der Beschädigungen an seinem Kraftfahrzeug bei der für fünf Tage ein Ersatzfahrzeug. Der Rechnungsbetrag lautete auf 1529,25 €. Die Beklagte erstattete hierauf 525,98 €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 153-156 der Akten) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang (in Höhe eines Betrages von 913,47 € nebst Zinsen) stattgegeben. Es hat ausgeführt, die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schadensschätzung sei aufgrund der Schwacke-Liste 2006 vorzunehmen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie greift die Schätzgrundlage und die Berechnung des Amtsgerichts an und ist der Ansicht, die notwendigen Mietwagenkosten bereits erstattet zu haben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Viersen, verkündet am 29. November 2010, Az. 32 C 430/09 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte nur einen Anspruch auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 475,14 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 VVG, nicht hingegen auf Zahlung der begehrten 913,47 €.

Da die Haftung der Beklagten unstreitig ist, ist nur über die angemessene Höhe der Mietwagenkosten zu entscheiden, die die Kammer auf insgesamt 1.001,12 € schätzt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2009, 58) kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet der am Markt übliche Normaltarif. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2008, 1519) ist es grundsätzlich zulässig, zu dessen Bestimmung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf das gewichtete Mittel (jetzt Modus) des "Schwacke-Automietpreis-Spiegels" (im Folgenden: Schwacke-Liste) im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zurückzugreifen. Zuvor hat sich der Bundesgerichtshof bisher nicht ausdrücklich für die Schwacke-Liste ausgesprochen. Dadurch, dass der Bundesgerichtshof aber die Schwacke-Liste ausdrücklich als taugliches Hilfsmittel für die Ausübung des tatrichterlichen Schätzermessens anerkannt hat, kann grundsätzlich von der Anwendbarkeit der Schwacke-Liste ausgegangen werden. Die Eignung der Schwacke-Liste bedarf erst dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben.

Die Kammer hat in der Vergangenheit mehrfach festgestellt (vgl. Urteil vom 14.10.2008 - 5 S 64/08 - [...]), dass die Schwacke-Liste grundsätzlich eine geeignete Schätzung...

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