Entscheidungsstichwort (Thema)
Von ZPO § 794a Abs 3 abweichende Vereinbarung über die Räumungsfrist
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Abweichend von ZPO § 794a Abs 3 können die Vergleichsparteien vereinbaren, daß die Frist zwischen Vergleichsabschluß und vereinbartem Räumungstermin auf die Einjahresfrist nach ZPO § 794a Abs 3 anzurechnen ist.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Im Termin vom 14.1.1983 vor dem AG schlossen die Parteien einen Räumungsvergleich, in dessen Ziffer II. bestimmt ist: "Die Klägerin räumt den Beklagten eine Räumungsfrist gemäß § 794a ZPO bis 30. Sept. 1983 ein." Den auf Verlängerung dieser Räumungsfrist bis 30. Sept. 1984 gerichteten Antrag der Beklagten wies das AG mit Beschluß v. 19.10.1983 zurück.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Der auf Räumungsfristverlängerung um ein Jahr, gerechnet ab 30.9.1983, gerichtete Antrag war zulässig. Nach § 794a Abs. 3 ZPO ist die Jahresfrist ab dem im Räumungsvergleich bestimmten Tag zu rechnen, wenn nach dem Vergleichsinhalt nicht sofort, sondern an einem späteren Tag zu räumen ist. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit nach der Rechtsansicht der Kammer eindeutig. Vereinbaren die Parteien also nicht Räumung sofort, sondern Räumung zu einem späteren Zeitpunkt, so kann die Verlängerung der Räumungsfrist nach § 794a ZPO ab diesem späteren Tag erst berechnet werden, die Zeit bis zu diesem vereinbarten Räumungstag zählt nicht als Teil der nach § 794a ZPO höchstmöglichen Räumungsfrist von einem Jahr (so auch Thomas-Putzo, 3b bb zu § 794a ZPO, Zöller-Scherübel 2 zu § 794a ZPO und Stein-Jonas II 2) zu § 794a ZPO m.w.N. in Fn. 6 und 8). Diese eindeutige gesetzliche Regelung durch die ZPO betreffend das Vollstreckungsverfahren kann jedoch durch Parteivereinbarung abgeändert werden. Die Formulierung von Ziffer 11. des Vergleichs im vorliegenden Fall, worin die Frist zwischen Vergleichsschluß und vereinbartem Räumungstermin ausdrücklich als Räumungsfrist gem. § 794a ZPO bezeichnet wurde, spricht dafür, daß der Parteiwille dahin ging, diese Zeit auf die Einjahresfrist nach § 794a ZPO anzurechnen, zumal der vor dem Mietgericht geschlossene Vergleich durch zwei auf Mietsachen spezialisierte Rechtsanwälte herbeigeführt wurde, es sich also nicht um eine zufällige Formulierung zu dieser Problematik handeln dürfte. Dieser Weg der Parteivereinbarung ist auch als Vollstreckungsvereinbarung gangbar. Unstreitig kann auf die Anwendung des § 794a ZPO insgesamt verzichtet werden, nur nicht auf die Anwendung des § 765a ZPO, weil letztere Vorschrift auch im öffentlichen Interesse liegt. Ist aber ein Verzicht auf die Räumungsfrist nach § 794a ZPO durch den Mieter insgesamt möglich, so ist kein Hinderungsgrund ersichtlich, warum nicht auch ein teilweiser Verzicht insoweit erfolgen können sollte. So ist z.B. ein Verzicht auf Räumungsschutz über einen bestimmten, zeitlich nach dem Vergleichsschluß liegenden, Räumungstermin hinaus für § 794a ZPO möglich, anders als für § 765a ZPO. Es ist dann kein Grund ersichtlich, warum die Parteien nicht auch vereinbaren können sollten, daß die Möglichkeit der Räumungsfrist nach § 794a ZPO grundsätzlich erhalten bleiben soll, die maximale Frist von einem Jahr dann aber ab dem Vergleichsschluß berechnet werden soll.
Letztere Fallgestaltung ist nach der Formulierung des Vergleichs hier gegeben gewesen. Die sofortige Beschwerde war mithin mindestens für die Zeit bis 14.1.1984 zulässig.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Auf die zutreffende Interessenabwägung im amtsgerichtlichen Beschluß, welcher sich die Beschwerdekammer anschließt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Fundstellen