Verfahrensgang
AG Kempten Zwgst. Sonthofen (Urteil vom 03.05.2022; Aktenzeichen 4 C 304/20 WEG) |
Tenor
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Sonthofen vom 03.05.2022, Az. 4 C 304/20 WEG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass diese im Ergebnis offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, wobei das Merkmal der Offensichtlichkeit nicht voraussetzt, dass die Aussichtslosigkeit quasi auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Überprüfung sein.
Weiterhin kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Soweit die Kammer weitere Erwägungen anstellt, handelt es sich sämtlich um Gesichtspunkte, die nach hiesiger Einschätzung im schriftlichen Verfahren ausreichend erörtert werden können.
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO):
1. Die Klägerin verkennt, dass die „Rezeption” im Sondereigentum der GdWE steht und nicht zum Gemeinschaftseigentum, sondern zum Gemeinschaftsvermögen zählt, auf das § 16 Abs. 1, S. 3 WEG nicht anwendbar ist. Die Wohnungseigentümer haben keinen Anspruch auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 174; BeckOGK/Falkner, 1.6.2022, WEG § 9a Rn. 274, 275; MüKoBGB/Burgmair, 8. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 44; Dötsch/Schultzky/ Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 7 Rz. 20).
1.1. Das erstinstanzliche Gericht hatte zunächst (zutreffend) im Tatbestand ausgeführt, dass der Rezeptionsraum eine Teileigentumseinheit ist, die im Eigentum der WEG steht, dies sodann aber mit Beschluss vom 20.06.2022 als „offensichtliche Unrichtigkeit gem. § 319 ZPO” dahingehend berichtigt, dass es sich bei dem Rezeptionsraum um eine mit der Sondereigentumseinheit 101b verbundene Sondernutzungsrechtsfläche handelt, welche im Jahr 2019 von der WEG erworben wurde. Der als Anl. K 1 vorgelegte Grundbuchauszug des Grundbuchs von … Bd. 30 Bl. 1213 (Teileigentumsgrundbuch), weist allerdings – wie zunächst im Tatbestand auch angegeben – insoweit eine Teileigentumseinheit mit einem MEA von 11,93/10.000, verbunden mit dem Sondereigentum an dem Kiosk und der Rezeption, im neuen Aufteilungsplan mit Nr. 101b bezeichnet, aus. Als Eigentümer ist die … angegeben (Auflassung vom 31.01.2019, Eintragung am 25.07.2019). Eine strikte Bindung (ohne Ausnahmen) an die von der 1. Instanz gefundene Tatsachengrundlage besteht für das Berufungsgericht nicht, § 529 ZPO. Das Festhalten an einer erkannt falschen Tatsachengrundlage der 1. Instanz ist unzumutbar und widerspricht der Gerechtigkeit. Deshalb ist eine Neubewertung der Tatsachengrundlage im Interesse der materiellen Gerechtigkeit möglich, wenn auf Grund Vorliegens „konkreter Anhaltspunkte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen” bestehen (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, Rn. 1). So ist es hier.
1.2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann gem. § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Hieraus ergibt sich unmittelbar, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Trägerin eigenen Vermögens sein kann. § 9a Abs. 3 WEG bezeichnet dieses Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Gemeinschaftsvermögen. Dieser Begriff ist präziser als der bisher für dieses Vermögen verwendete Begriff des Verwaltungsvermögens. Zum Gemeinschaftsvermögen zählen alle durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erworbenen Sachen und Rechte – wie hier die Sondereigentumseinheit 101b – sowie die entstandenen Verbindlichkeiten (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 137, 138).
1.3. Das Gemeinschaftsvermögen repräsentiert neben dem Sonder- und dem Gemeinschaftseigentum, das im Eigentum der Wohnungseigentümer steht, die dritte Vermögenssphäre des Wohnungseigentumsrechts. Ein Gegenstand kann stets nur einer dieser drei Vermögenssphären zugeordnet werden. Ob er zum Sondereigentum, Gemeinschaftseigentum oder Gemeinschaftsvermögen gehört, ist eine rein sachenrechtliche Frage (Lehmann...