Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 701 XVII 10753/98) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Betroffene erlitt am 5.8.1998 einen Gehirninfarkt. Er leidet seitdem an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom. Zur Absaugung von Schleim ist eine Trachealkanüle erforderlich. Die Ernährung erfolgt über eine PEG-Sonde, die Harnableitung über einen transurethralen Dauerkatheter.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Ingolstadt vom 15.9.1998 wurde der Sohn des Betroffenen zum vorläufigen Betreuer bis 14.3.1999 mit dem Aufgabenkreis „Sorge für die Gesundheit des Betroffenen mit Zuführung zur ärztlichen Heilbehandlung” bestellt. Mit Beschluß vom 17.11.1998 wurde das Betreuungsverfahren an das Amtsgericht München abgegeben und dort am 3.12.1998 übernommen.
Mit Schreiben vom 15.12.1998 beantragte der Betreuer, seine Einwilligung, die Ernährung des Betroffenen einzustellen und die Flüssigkeitszufuhr auf ein Mindestmaß zu beschränken, vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen (§ 1904 BGB).
Durch Schreiben des Amtsrichters vom 15.12.1998 wurde dem Betreuer mitgeteilt, daß seinem Antrag bereits aus formalen Gründen nicht entsprochen werden könne, weil sein Aufgabenkreis derartige Angelegenheit nicht umfasse.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 7.1.1999, die zunächst nur im Interesse des Betroffenen eingelegt, mit Schreiben vom 15.2.1999 aber auch im Namen des Betreuers eingelegt wurde.
Die Akten wurden der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Die Kammer hat durch Beschluß vom 11.1.1999 Rechtsanwalt … zum Verfahrenspfleger bestellt. Dieser hat am 21.1.1999 Stellung genommen. Der Beschwerdeführer hat hierauf weiter zur Sache vorgetragen.
II.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig:
Bei dem Schreiben des Amtsrichters handelt es sich um eine nach § 19 Abs. 1 FGG mit der einfachen Beschwerde anfechtbare Verfügung; hierbei ist unschädlich, daß nicht durch Beschluß entschieden wurde, weil es sich jedenfalls nicht um eine unverbindliche Meinungsäußerung handelt und eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist (vgl. auch Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 13. Aufl., § 19 Rz. 3-6). Da der Betreuer meint, die beabsichtigte Tätigkeit, sei von seinem Aufgabenkreis umfaßt und sein Antrag abgelehnt wurde, ist er auch im eigenen Namen beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 und 2 FGG). Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob er zur Vertretung des Betroffenen berechtigt war und für diesen Beschwerde einlegen konnte. Das Rechtsmittel ist formgerecht eingelegt (§ 21 FGG).
2. Es ist jedoch nicht begründet, weil die Entscheidung des Amtsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Der Antrag des Betreuers ist nach Auffassung der Kammer aus Rechtsgründen abzulehnen, ohne daß es auf den Gesundheitszustand im einzelnen und den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ankommt.
a) Ein genehmigungsfähiger Antrag des Betreuers liegt bereits deshalb nicht vor, weil der von ihm beabsichtigte Abbruch der Ernährung des Betroffenen mit dem Ziel des Todes nicht von seinem Aufgabenkreis als vorläufiger Betreuer gedeckt ist. Zum einen hat das „Sterbenlassen” des Betroffenen als eigentliches Ziel mit Gesundheitsfürsorge nichts zu tun (ebenso Bienwald, FamRZ 1998, 1138 f.; Seitz, ZRP 1998, 417, 420). Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, daß dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen entsprechend die Weiterbehandlung Körperverletzung wäre, wovor er durch die Maßnahme des Betreuers bewahrt werde. Denn die Einstellung der Ernährung ist jedenfalls eine aktive Maßnahme mit dem Ziel des Todes des Betroffenen und nicht bloß ein Unterlassen; der Erhaltung der Gesundheit dient sie ersichtlich nicht. Zum anderen handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei der Entscheidung, sterben zu wollen, um eine der höchstpersönlichen Angelegenheiten, die einem Betreuer ohnehin nicht übertragen werden können (ebenso Seitz, ZRP 1998, 417, 420); dies gebietet bereits die Menschenwürde (Art. 1 GG). Der Fall ist vergleichbar mit der Abgabe einer Organspendeerklärung, die ein Betreuer ebenfalls nicht für den noch lebenden Betroffenen abgeben kann (AG Mölln, FamRZ 1995, 188, vgl. auch Erman/Holzhauer BGB 9. Aufl., § 1904 Rn. 23). Daß auch einige höchstpersönliche Angelegenheiten einem Betreuer übertragen werden können (z.B. die Sterilisation, vgl. Bienwald, FamRZ 1998, 1139), steht dem nicht entgegen, da diese, Maßnahmen nicht eine Entscheidung über den Tod des Betroffenen zum Inhalt haben und die Menschenwürde nicht in vergleichbarer Art tangieren.
b) Darüber hinaus ist § 1904 BGB auf die vorliegende Fallkonstellation nicht; auch nicht analog (so vor allem BGH, NJW 1995, 204; OLG Frankfurt, FamRZ 1998, 1137 ff.) anwendbar.
aa) unbestritten ist § 1904 BGB nach seinem Wortlaut nicht auf lebensbeendende ärztliche Maßnahmen anwendbar, da er nur ärztliche Eingriff u.ä. betrifft, die lebensgefährdend sein könnten.
bb) Auch eine entsprechende Anwendung ist jedoch nach Ansicht der Kammer aus mehreren Gründen nicht möglich.
Es fehlt bereits an der für jede Analogie erforderlichen Regelungslücke (ebe...