Normenkette
BGB § 1904; FGG § 28 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Lübeck (Aktenzeichen 7 318/02 (93) |
AG Lübeck (Aktenzeichen 4 XVII 7591 M) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I. Der Betroffene erlitt am 29.11.2000 infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Hirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seitdem ist eine Kontaktaufnahme mit ihm nicht möglich und wird er über eine PEG-Sonde ernährt. Durch Beschluss vom 18.1.2001 bestellte das AG den Beteiligten – Sohn des Betroffenen – zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis: Sorge für die Gesundheit, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen und Einrichtungen. Mit Schreiben vom 8.4.2002 hat der Beteiligte beim AG beantragt, „die Ernährung über die PEG-Sonde einzustellen”, da eine Besserung des Zustandes des Betroffenen nicht zu erwarten sei. Die Ehefrau des Betroffenen – und Frau W.H. seine Tochter – haben dem Antrag zugestimmt. Der Beteiligte hat auf die vom Betroffenen am 27.11.1998 unterzeichnete Verfügung des Betroffenen hingewiesen. Darin heißt es:
„ Für den Fall, daß ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich:
Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit, wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich:
- keine Intensivbehandlung,
- Einstellung der Ernährung,
- nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen,
wenn nötig
- keine künstliche Beatmung,
- keine Bluttransfusion,
- keine Organtransplantation,
- keinen Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine.
Meine Vertrauenspersonen sind … (es folgen die vorgenannten Verwandten).
Meine Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet.”
Das AG hat den Antrag mangels einer Rechtsgrundlage abgelehnt. Das LG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betreuers zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 38 bis 50 d.A.), richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.
II. Der Senat hält die nach §§ 27, 29, 20 FGG zulässige weitere Beschwerde für unbegründet. Er sieht sich an der Zurückweisung des Rechtsmittels jedoch durch das Urteil des BGH vom 13.9.1994 (BGH, Urt. v. 13.9.1994 – 1 StR 357/94, NJW 1995, 204) sowie durch die auf weitere Beschwerde ergangenen Beschlüsse des OLG Frankfurt vom 20.11.2001 (OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.11.2001 – 20 W 419/01, OLGReport Frankfurt 2002, 83 = MDR 2002, 218 = FamRZ 2002, 575; vgl. bereits Beschl. v. 15.7.1998 – 20 W 224/98, OLGReport Frankfurt 1998, 245 = MDR 1998, 1483 = NJW 1998, 2747) und des OLG Karlsruhe vom 29.10.2001 (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.10.2001 – 19 Wx 21/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 66 = FamRZ 2002, 488) gehindert. Die Sache ist demnach dem BGH nach § 28 Abs. 2 FGG vorzulegen.
III. Das LG hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die beantragte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine Einstellung der Ernährung mittels einer Magensonde bei einem nicht mehr einwilligungsfähigen Betreuten mangels gesetzlicher Grundlage nicht erteilt werden könne. Insbesondere sei entgegen der Auffassung der genannten Gerichte und eines Teils der einschlägigen Literatur § 1904 Abs. 1 BGB nicht analog anwendbar. Es fehle bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass dem Gesetzgeber die Problematik der Sterbehilfe bewusst gewesen sei. Dass er gleichwohl nichts geregelt habe, spreche dafür, dass er eine gesetzliche Regelung nicht gewollt habe und dies auch nicht Rechtsprechung und Lit. habe überlassen wollen. Die nicht zum Betreuungsrecht ergangene Entscheidung des BGH vom 13.9.1994 sei nicht geeignet, eine solche Regelung entbehrlich zu machen. Ferner verbiete sich eine analoge Anwendung, weil eine Regelung durch den Gesetzgeber angesichts der Bedeutung der Entscheidung über Leben und Tod im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmungsrecht und Schutzpflicht für das menschliche Leben verfassungsrechtlich nach Art. 2 Abs. 2 GG zwingend geboten sei. Weiter eigne sich § 1904 Abs. 1 BGB nach Sinn und Zweck nicht zur entsprechenden Anwendung auf die Einwilligung in einen zum Tode führenden Behandlungsabbruch, weil diese Vorschrift einen lebenserhaltenden Heileingriff zum Gegenstand habe. Auch handele es sich bei der Einwilligung in einen Behandlungsabbruch faktisch um die Verweigerung der Einwilligung in eine Weiterbehandlung, die von vornherein – wie die anfängliche Versagung der Einwilligung – nicht genehmigungsbedürftig sei. Soweit hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit allgemein auf die Tragweite der Entscheidung abgestellt werde, sei dem entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber in Kenntnis des Problems in den Ausnahmevorschriften der §§ 1904 bis 1907 BGB einen Kanon mit gesetzlich genau umschriebenen Voraussetzungen geschaffen habe. Eine analoge Anwen...