Verfahrensgang
AG Landshut (Beschluss vom 18.03.2022; Aktenzeichen 14 C 1593/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Klägervertreterin wird der Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 18.03.2022 in der Form des Abhilfebeschlusses vom 19.05.2022 wie folgt abgeändert und insgesamt neu gefasst: Der Streitwert wird festgesetzt auf insgesamt EUR 16.146,96.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie wendet sich mit der vorliegenden Anfechtungsklage gegen die in der Eigentümerversammlung vom 18.11.2021
zu TOPen 1 (Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und der Beschlussfähigkeit), 1.1 (Die Beschlussfassung soll per Stimmzettel erfolgen), 5 (Instandhaltungsrücklage), 6 (Entlastung der Hausverwaltung für das Wirtschaftsjahr 2020), 7 (Bestellung der Hausverwaltung bis 31.12.2022), 8 (Bestellung neue Hausverwaltung ab 01.01.2023), 9 (Abstimmung über die Wahl eines Verwaltungsbeirats) und 11 (Einbau Klimaanlage in Technikraum) gefassten Beschlüsse. In der Klageschrift vom 15.12.2021 gab die Klägerin als vorläufigen Streitwert EUR 10.000 an. Das AG Landshut erklärte mit Urteil vom 25.03.2022 (Bl. 59/73 d.A.) sämtliche Beschlüsse mit Ausnahme des zu TOP 1.1 gefassten Beschlusses für ungültig und setzte den Streitwert auf EUR 12.438 fest.
Hiergegen hat die Klägervertreterin am 12.04.2022 aus eigenem Recht eine Streitwertbeschwerde eingelegt (Bl. 74/79 d.A.) und beantragt, den Streitwert auf EUR 37.340,97 festzusetzen. Das Berechnungsprozedere des Amtsgerichts sei falsch. Dennoch seien die Streitwertschätzungen zu den Klageanträgen Ziffern 1,2,3, 4,6,7 und 8 im Ergebnis angemessen, nicht aber die Streitwertfestsetzung bzgl. des Antrags Ziffer 4 (TOP 6). Unter Geltung des neuen Rechts sei es Standard, bei der Anfechtung von Abrechnungsbeschlüssen der Streitwertberechnung den Kostenanteil der jeweiligen Kläger ohne Abzug der Vorschüsse zugrundezulegen und mit 7,5 zu multiplizieren. Dies ergebe vorliegend einen Teilstreitwert für die Anfechtung von TOP 6 von EUR 2,712,13 × 7,5 = EUR 20.340,97 und einen Gesamtstreitwert von EUR 37.340,97.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.05.2022 (Bl. 81/83 d.A.) teilweise abgeholfen und den Streitwert auf EUR 30.705,98 festgesetzt. Dabei hat das Amtsgericht den Teilstreitwert bzgl. der Anfechtung von TOP 6 in Übereinstimmung mit der Klägervertreterin auf EUR 20.340,98 und bzgl. der Anfechtung der übrigen TOPe insgesamt auf EUR 10.365,00 festgesetzt. Als Interesse der Klägerin wurden insoweit 69,1000/1000 (MEA der Klägerin) von EUR 20.000 (Gesamtinteresse aller Wohnungseigentümer bzgl. der Anfechtung der TOPe 1, 1.1, 5, 7, 8, 9 und 11) × 7,5 angenommen.
Für die weiteren Einzelheiten wird in vollem Umfang auf den Akteninhalt, namentlich die Schriftsätze der Parteien nebst aller dort beigegebenen Anlagen, Bezug genommen
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist als Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1, 66 Abs. 3, S. 2 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 RVG zulässig, hat in der Sache aber – aus Sicht der Beschwerdeführerin – keinen Erfolg. Der vom Amtsgericht festgesetzte Streitwert ist nicht herauf-, sondern (deutlich) herabzusetzen.
Das Beschwerdegericht kann anlässlich des Beschwerdeverfahrens eine Abänderung des Streitwerts nach § 63 Abs. 3 S. 1 GKG von Amts wegen vornehmen; ein Verböserungsverbot (Verbot der reformatio in peius) gilt wegen der Besonderheiten der Regelung des § 63 Abs. 3 S. 1 GKG, solange das Gericht den Streitwert von Amts wegen abändern kann, nicht (allgM, vgl. nur Hartmann/Toussaint/Toussaint Rn. 19 m.w.N.; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, § 13 Rz. 85; OLG Stuttgart BeckRS 2019, 24599; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2016, 05479; NdsOVG BeckRS 2015, 43710; 2008, 33691; OVG NRW BeckRS 2014, 53353; 2011, 53090; OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 22355; 2009, 23458; OLG Rostock BeckRS 2008, 24032; BayVGH BeckRS 2008, 28035; LG Hamburg BeckRS 2012, 24857; BayLSG BeckRS 2016, 72222; 2015, 68588; LAG Nürnberg JurBüro 2009, 196; LAG Düsseldorf BeckRS 2016, 67323; aA ohne Begründung OLG München BeckRS 2016, 04754; vgl. ausf. zur Problematik Schneider NJW 2017, 3764). Das beruht darauf, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren im überwiegenden öffentlichen Interesse an einer jederzeit objektiv richtigen Bewertung der Verfahrensgegenstände gemäß §§ 63 ff. GKG als amtliches Verfahren ausgestaltet ist (BGH NJW 2004, 3488, 3489). Die (Rechtsmittel-)Gerichte sind gemäß § 61 GKG nicht an die Schätzangaben der Parteien zum Wert gebunden und gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG befugt, in den zeitlichen Grenzen des Satzes 2 dieser Bestimmung den Streitwert jederzeit von Amts wegen festzusetzen und abzuändern. Die divergierenden und ohnehin je nach Parteirolle wechselnden privaten Interessen der Prozessbeteiligten sind nicht schutzwürdig und treten hier vollständig zurück (OLG Düsseldorf Beschl. v. 19.5.2009 – 24 W 13/...