Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung durch Zahlung der Mietrückstände
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges gemäß BGB § 554 Abs 2 Nr 2 wird nur dann unwirksam, wenn der Mieter den Vermieter nicht nur hinsichtlich der Mietrückstände, die Anlaß zur Kündigung gegeben haben, sondern auch innerhalb der Monatsfrist hinsichtlich aller übrigen aufgelaufenen Mietrückstände und Nutzungsentschädigungen befriedigt hat (vergleiche LG Köln, 1974-05-30, 1 S 14/74, WuM 1976, 261).
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Das AG hat der Räumungsklage stattgegeben, da die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gem. § 554 BGB (Zahlungsverzug für die Monate März und April 1986) vorgelegen hätten. Diese Kündigung sei durch die Zahlung des Mietzinses für März und April 1986 nicht unwirksam geworden, da binnen eines Monates nach Rechtshängigkeit nicht sämtliche Mietrückstände beseitigt worden seien. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers sei nämlich noch der Mietzins für März und April 1985 offen.
Der Beklagte ist der Auffassung, daß im Rahmen des § 554 Abs. 2 Ziff. 2 (Heilung) die offenen Mieten für März und April 1985 nicht mitberücksichtigt werden dürften. Der erstmals im klägerischen Schriftsatz v. 24.6.1986 beiläufig erwähnte Mietrückstand für März und April 1985 sei nämlich nicht Gegenstand der Kündigung gewesen; zumindest befände sich der Beklagte hinsichtlich dieser beiden Monatsmieten nicht in Verzug, da nämlich diese Mieten vom Beklagten und seiner Ehefrau wegen jahrelanger Vorenthaltung des mitvermieteten Kellers zu Recht zurückbehalten worden seien und diese Mieten Gegenstand des eigenen Rechtsstreits (23 C 5425186) beim AG gewesen seien, welcher durch Vergleich v. 20.11.1986 dergestalt beendet worden sei, daß der Beklagte sich verpflichtet habe, die Hälfte der Klageforderung, also eine Monatsmiete, zu bezahlen. Damit stehe rückblickend betrachtet fest, daß der Beklagte wegen des fehlenden Kellers im Jahre 1985 zur Mietminderung berechtigt gewesen sei. Allein aus diesem Grunde habe der Kläger 1985 den Ausspruch einer Kündigung vermieden und erstmals nach Erhebung der Räumungsklage 1986 diese objektiv zu Recht zurückbehaltenen Mieten für seine Ziele nutzbar zu machen versucht, indem er nach 15monatiger Untätigkeit den Streit über diese beiden Mieten im Rahmen der Räumungsklage miterledigen lassen wollte, ohne selbst ein Prozeßrisiko einzugehen. Ein solches Vorgehen entspreche nicht der ratio des § 554 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB. "Fällig" im Sinne dieser Vorschrift seien deshalb nur solche Rückstände, die zwischen den Parteien unstreitig seien oder von denen feststehe, daß sich der Mieter mit diesen Zahlungen in Verzug befinde.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. In der Berufungsinstanz geht es im wesentlichen um die Frage, ob die Kündigung gem. § 554 Abs. 2 Ziff. 2 BGB unwirksam geworden ist, weil der Beklagte Ende Mai 1986, also auf jeden Fall noch vor Ablauf eines Monats nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs, die offenen Mieten für März und April 1986 nachbezahlt hat.
Nach Auffassung der Kammer hat sich der Kläger zutreffend darauf berufen, daß der Beklagte ihn nicht vollständig befriedigt habe, da noch Mietrückstände aus dem Jahre 1985 bestanden hätten. Nach der in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretenen Auffassung muß nämlich der Vermieter hinsichtlich aller bis zum Augenblick der Befriedigung aufgelaufenen Mietrückstände an Mietzinsen (und an Nutzungsentschädigung) befriedigt werden (Emmerich-Sonnenschein, § 554 Rz. 34 m.w.N.; Roquette, § 554 Anm. 30; BGH ZMR 1971, 27, 28). Dabei ist, um den Effekt der "Heilung" eintreten zu lassen, erforderlich, daß nicht nur die Mietrückstände, die Anlaß zur Kündigung gegeben haben, beglichen werden, sondern es müssen auch alle übrigen fälligen Mietzinsen bezahlt sein (vgl. LG Köln WM 1976, 261
Ist eine dieser zurückliegenden Mietzinsforderungen bestritten, so hat das Gericht im Rahmen des Räumungsrechtsstreits inzidenter zu prüfen, ob eine solche vom Vermieter behauptete offene Mietzinsforderung besteht bzw. fällig ist. Wenn sich deshalb im vorliegenden Verfahren der Beklagte auf den Rechtsstreit 23 C 5425/86 beim AG München beruft, dann hätte das AG die Möglichkeit gehabt, den Räumungsrechtsstreit wegen Vorgreiflichkeit der anderen Rechtsfrage auszusetzen. Die Tatsache allein, daß der Mieter eine Mietzinsforderung bestreitet oder behauptet, den Zahlungsrückstand nicht verschuldet zu haben, kann jedoch nicht dazu führen, daß sich die Nachzahlungspflicht des Mieters im Rahmen des § 554 Abs. 2 Ziff. 2 BGB auf die Mietrückstände beschränkt, die Anlaß zur Kündigung gegeben haben. Schließlich ist die genannte Vorschrift eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift zugunsten des Mieters, welche als Äquivalent dem Vermieter wenigstens die Möglichkeit geben soll, sämtliche Mietrückstände zu erhalte...