Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorgaben des BGH zur „Saldoklage” im Mietrecht gelten im Wohnungseigentumsrecht entsprechend.
2. Für die Zulässigkeit der Klage ist es nicht erforderlich, dass der Kläger die sich aus § 366 Abs. 2 BGB ergebende Verrechnungsreihenfolge darstellt. Es ist ausreichend, wenn sich aus den Angaben des Klägers und der ergänzenden Heranziehung der Anrechnungsreihenfolge in § 366 Abs. 2 BGB eine Zuordnung der Zahlungen und Gutschriften auf die vermeintlichen Außenstände vornehmen lässt.
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 19.02.2021; Aktenzeichen 1290 C 15376/20 WEG) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 19.02.2021, Az. 1290 C 15376/20 WEG, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.532,42 EUR festgesetzt
Tatbestand
Nach §§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen sowie der Antragsstellungen erster Instanz zunächst Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München vom 19.02.2021 (Bl. 72/77 d.A.).
Das Amtsgericht hat mit Endurteil vom 19.02.2021 die Klage der Gemeinschaft auf rückständige Wohngeldzahlungen als unzulässig abgewiesen, da es sich um eine Saldoklage handele, bei der der Klageantrag unbestimmt und der Klagegrund nicht eindeutig umfasst sei. Auch durch eine Zuziehung der vorgelegten Anlagen sei es weder direkt noch im Wege der Auslegung möglich, eine Zuordnung der erfolgten Zahlungen zu konkreten Forderungen vorzunehmen.
Gegen dieses dem Klägervertreter am 24.02.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.02.2021, eingegangen beim Berufungsgericht am 27.02.2021, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 21.04.2021 (Bl. 90/101 d.A.), eingegangen am Folgetag, insbesondere – neben der umfassenden Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Ausführungen – damit begründet, dass schon keine unzulässige Saldoklage vorliege. Die neue Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit der Saldoklage im Mietrecht sei auf das Wohnungseigentumsrecht zu übertragen, sodass es künftig keine Zulässigkeitsvoraussetzung mehr sei, den Gesamtbetrag der Vorschüsse auf die einzelnen Monate aufzugliedern. Es genüge vielmehr die Angabe, welcher Betrag für den gesamten Zeitraum geschuldet und in welcher Höhe er nicht beglichen sei. Außerdem habe die Klagepartei die Vorauszahlungen der bestandskräftigen Hausgeldvorauszahlungen unter Berücksichtigung der erfolgten Zahlungen und der errechneten Nachzahlungsbeträge einzeln aufgeschlüsselt. Es komme einer Rechtsverweigerung nahe, dass sich das Erstgericht hiermit nicht befasse.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 1290 C 15376/20 WEG) vom 19.02.2021 aufzuheben und den Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen in ihrer Berufungserwiderung vom 22.06.2021 (Bl. 108/111 d.A.) unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das Urteil des AG München und schließen sich der dort vertretenen Auffassung an, dass es sich vorliegend um eine unzulässige Saldoklage handele. Die behaupteten klägerischen Forderungen würden abgesehen davon auch weder bestehen, noch seien sie konkretisiert oder konkretisierbar. Die Klagepartei sei zudem an der Geltendmachung gehindert, da der Beklagte die streitgegenständlichen Einheiten, also die TE … und die Stellplätze … und …, mit notariellem Kaufvertrag vom 04.09.2019 an den Verwalter der Klägerin verkauft habe. Der Besitzübergang sei am 01.10.2019 erfolgt. Wenn dann im Dezember 2019 rückwirkend ein Wirtschaftsplan für das Jahr 2019 beschlossen werde, liege tatsächlich eine Sonderumlage vor, die den Beklagten nicht mehr betreffe.
Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 20.08.2021 (Bl. 126 d.A.) bzw. 15.09.2021 (Bl. 123/124 d.A.) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Mit Beschluss vom 27.09.2021 (Bl. 127/129 d.A.) wurde als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, der 25.10.2011 bestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Die Berufung wurde frist- und formgerecht gemäß §§ 517, 519 ZPO und unter Beachtung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegt.
2. Das Rechtsmittel der Klagepartei hat auch in der Sache Erfolg.
Das Amtsgericht hat sich aufgrund seiner fehlerhaften Rechtsauffassung bzgl. der Saldoklage – als solches kons...