Leitsatz (amtlich)
1. Tritt ein Beseitigungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB (hier: Anspruch auf Rückbau eigenmächtig eingebauter Dachflächenfenster) konkurrierend neben die sich aus § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 280 BGB und § 823 Abs. 1 BGB ergebenden Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums, so ist der einzelne Wohnungseigentümer nicht dazu berechtigt, den Beseitigungsanspruch ohne Ermächtigung durch die übrigen Anspruchsinhaber geltend zu machen.
2. Bei einer Störung des Eigentums durch Umgestaltung (hier: eigenmächtig eingebaute Dachflächenfenster) findet die Beseitigung der Störung bzw. der Störungsquelle gem. § 1004 Abs. 1 BGB nur durch komplette Rückgestaltung statt.
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 10.12.2015; Aktenzeichen 483 C 21827/15 WEG) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 10.12.2015, Az. 483 C 21827/15 WEG, aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist in Ziff. 2 vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und die Beklagte gehören einer Wohnungseigentumsgemeinschaft an. Auf dem Haus befindet sich ein Satteldach mit Dachpfannen. Nach Osten zur Straße hin gibt es zwei Dachgauben, zum Garten hin Dacheinschnitte. Die Beklagte hat eigenmächtig im Jahr 2013 vor dem 9.7.2013 in ihren Einheiten insgesamt fünf Dachflächenfenster neu einbauen lassen. Auf das Bildmaterial über die Situation vorher und nachher (nachher: Anlagen K1 und K2; vorher: Anlage B 8 Blatt 2 und Blatt 3) wird Bezug genommen. Die Zustimmung aller Miteigentümer lag nicht vor. Ein nachträglicher mehrheitlicher Genehmigungsbeschluss (TOP 10 a und 10 b der Eigentümerversammlung vom 9.7.13) wurde rechtskräftig gerichtlich für nichtig erklärt. Im vorliegenden Verfahren machen die Kläger, die nicht die Stimmenmehrheit in der WEG aufbringen, im Wesentlichen Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüche wegen der fünf Dachflächenfenster gegen die Beklagte geltend.
Nachdem die Kläger das vorliegende Verfahren mit Klageschrift vom 10.9.2015, den Beklagten noch im September 2015 zugestellt, eingeleitet hatten, fasste die Mehrheit der Eigentümer (gegen die Stimmen der Kläger) in Eigentümerversammlungen die folgenden Vergemeinschaftungsbeschlüsse:
Zu TOP 14 wurde am 14.10.15 mehrheitlich beschlossen:
„Der Rückbauanspruch gegen Frau (…) wird von der Eigentümergemeinschaft an sich gezogen.”
Das Anfechtungsverfahren gegen diesen Beschluss wurde mit Blick auf den Beschluss vom 21.1.2016 übereinstimmend für erledigt erklärt (AG 483 C 24770/15 hinzuverb 24782/16), die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist noch anhängig beim Landgericht München I, Az. 1 T 5592/16.
Zu TOP 2 wurde am 21.1.2016 mehrheitlich beschlossen:
„Der in der Versammlung vom 14.10.2015 zu TOP 14 gefasste Beschluss wird aufgehoben. Die Gemeinschaft zieht die Geltendmachung der wegen des Einbaus von 5 Dachflächenfenstern bestehenden Rückbauansprüche der übrigen Wohnungseigentümer gegen die Wohnungseigentümerin (…) an sich.
Der Verwalter wird beauftragt und ermächtigt, namens der Gemeinschaft einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin mit der zunächst außergerichtlichen Geltendmachung der genannten Ansprüche zu mandatieren. Das Mandat umfasst den Auftrag und die Befugnis, die Miteigentümerin (…) gleichzeitig aufzufordern, den übrigen Eigentümern ein Angebot über eine vergleichsweise Erledigung durch Abschluss einer Vereinbarung, z.B. durch Zahlung einer noch zu fixierenden Geldsumme in die Instandhaltungsrücklage, zu unterbreiten. Das Mandat umfasst ferner die Befugnis, mit der Eigentümerin (…) etwaige Vergleichsverhandlungen zu führen.
Die entstehenden Rechtsanwaltskosten werden aus dem laufenden Budget finanziert.”
Das Anfechtungsverfahren gegen diesen Beschluss ist beim Amtsgericht München anhängig (483 C 1667/16 WEG AG München).
Mit bestandskräftigem Beschluss vom 16.8.2016 wurde der Beschluss zu TOP 2 vom 21.1.2016 – mit Ausnahme seines ersten Absatzes – aufgehoben.
Zu TOP 11 wurde am 25.7.2017 (Prot Anl B 5) mehrheitlich beschlossen:
„Die Gemeinschaft zieht die Geltendmachung der wegen des Einbaus von 5 Dachflächenfenstern bestehenden Rückbauansprüche der übrigen Eigentümer gegen die Eigentümerin Frau (…)an sich. Unberührt bleibt die Geltendmachung bestehender Schadensersatzansprüche durch die Gemeinschaft wegen des Einbaus der Fenster.”
Gegen diesen Beschluss ist eine Anfechtungsverfahren beim Amtsgericht München (483 C 15873/17) anhängig.
Die Gemeinschaft ist bislang nicht gegen die Beklagte mit dem Ziel des Rückbaus der Dachflächenfenster vorgegangen. Es haben in der Vergangenheit erfolglose Vergleic...