LG München I weist Klimaklage gegen BMW ab
Die Klimaklage gegen BMW ist ein prominentes Beispiel für die stark ansteigende Zahl von Klimawandelstreitigkeiten, die sich zunehmend auch gegen Unternehmen richten (vgl. dazu im Einzelnen Walden/Frischholz, „Climate Change Litigation: Beitrag zu globaler Gerechtigkeit oder Abkehr von (zivil)rechtlichen Grundprinzipien?“, ZIP 2022, 2473 ff.). Neben der Klimaklage gegen BMW sind vergleichbare Klimaklagen auch gegen Mercedes-Benz, Wintershall DEA (jeweils seitens DUH) sowie Volkswagen (seitens Greenpeace) anhängig. Das LG Stuttgart hatte die gegen Mercedes-Benz gerichtete Klage bereits im vergangenen Jahr abgewiesen; auch insoweit ist eine Berufung anhängig.
Worum geht es im Verfahren gegen BMW?
Die Kläger machen gegenüber BMW einen sog. quasinegatorischen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 1 BGB geltend. Durch das Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren seitens BMW würden erhebliche Teile des CO₂-Budgets aufgezehrt, politische Handlungsspielräume verengt und in Zukunft radikale Maßnahmen zur CO₂-Reduktion notwendig, die die Kläger in ihrem – intertemporalen – Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen würden. Die Kläger beantragten daher zum einen, dass BMW es zu unterlassen habe, nach dem 31. Oktober 2030 neue Pkw mit Verbrennungsmotor in den Verkehr zu bringen, es sei denn, BMW stelle sicher, dass deren Produktion und Nutzung keinen Anstieg von Treibhausgase in der Atmosphäre verursache. Zum anderen beantragten sie, dass BMW es zu unterlassen habe, zwischen dem 1. Januar 2022 und dem 31. Oktober 2030 neue Pkw mit Verbrennungsmotor zu vertreiben, die bei ihrer Nutzung ein bestimmtes CO₂-Budget überschreiten würden. BMW beantragte Klageabweisung.
Wie hat das LG München I die Klageabweisung begründet?
Das LG München I hat die Klage für zulässig, aber unbegründet erachtet.
Im Rahmen der Zulässigkeit bejaht das LG München I seine Zuständigkeit, die von BMW in Zweifel gezogene hinreichende Bestimmtheit der Klageanträge, die Prozessführungsbefugnis sowie das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger (vgl. im Einzelnen Ziff. I. der Entscheidungsgründe, S. 15 ff. des Urteils).
Im Rahmen der Begründetheit führt das LG München I detailliert aus, warum den Klägern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedenfalls derzeit nicht zusteht (vgl. im Einzelnen Ziff. II der Entscheidungsgründe, S. 17 ff. des Urteils). Die wesentlichen Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Zunächst führt das LG München I aus, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist und im Wege des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs auch präventiv gegen drohende Verletzungen schützt. Die Reichweite des Persönlichkeitsrechts und die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs müssen jedoch in jedem Einzelfall unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände (insb. Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Grundrechte) festgestellt werden. Aufgrund der vom BVerfG näher erläuterten intertemporalen Schutzdimension der Grundrechte ist schon dann von einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit auszugehen, wenn Grundrechtseingriffe im jetzigen Recht bereits unumkehrbar angelegt sind.
- Sodann legt das LG München I dar, dass ein Eingriff in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger nicht von vornherein ausgeschlossen ist – sofern man den klägerischen Vortrag zur Intensität der Beeinträchtigung und dessen Beweisbarkeit unterstellt. Würden die Möglichkeiten der Kommunikation und Mobilität wie von den Klägern dargestellt künftig tatsächlich derart stark beschnitten, dass zwischenmenschliche Kommunikation oder Begegnungen unzumutbar erschwert oder unmöglich würden, wäre eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger möglich. Die dargestellten Beeinträchtigungen würden, sollten sie tatsächlich hinreichend konkret belegbar sein, Beeinträchtigungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Sozialsphäre darstellen. Derartige Beeinträchtigung in der Sozialsphäre wiegen regelmäßig weniger schwer als Beeinträchtigungen der Intim- oder Privatsphäre.
- Es droht jedoch zum jetzigen Zeitpunkt kein rechtswidriger Eingriff in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger. Die Rechtswidrigkeit wird durch einen möglichen Eingriff nicht indiziert, sondern muss im Wege einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung positiv festgestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht um einen für das Zivilrecht typischen bilateralen Konflikt handelt und in Richtung Klimaneutralität verschiedene Strategien denkbar sind. Der Gesetzgeber kommt seinen verfassungsmäßigen Schutzpflichten unter Zugrundelegung der aktuellen Feststellungen des BVerfG derzeit ausreichend nach. BMW hält unstrittig auch alle gesetzgeberischen Vorgaben ein. Angesichts der weitreichenden Implikationen und notwendigen Richtungs- und Abwägungsentscheidungen obliegt der weitergehende Klimaschutz der Legislative und Exekutive (vgl. zu einer näheren Einordnung dieser Aspekte auch Walden/Frischholz, ZIP 2022, 2473, 2476 ff.).
- Schließlich bestehen nach Auffassung der Kammer keine über die öffentlich-rechtlichen Pflichten hinausgehenden zivilrechtlichen Pflichten von BMW. Die von den Klägern vorgetragene Beeinträchtigung ihres intertemporalen Freiheitsrechts stimmt mit der Interessenlage überein, die auch den abstrakt-generellen gesetzlichen Regelungen zugrunde liegt. Insbesondere hat BMW gegenüber dem Gesetzgeber keinen Wissensvorsprung bzgl. der von den Klägern vorgetragenen Gefährdungslage. Dem Verkehrssicherungspflichtigen kann nicht vorgeworfen werden, dass er keine weiter-gehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, wenn der Gesetzgeber die notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor der geltend gemachten Gefahrenlage im Rahmen der ihm obliegenden Abwägungsentscheidung verbindlich festgelegt hat. Es obliegt Regierung und Gesetzgeber, die Effektivität ihrer Maßnahmen zu überprüfen.
- Schließlich verweist das LG München I auf einen aktuellen Beschluss des BVerfG von Dezember 2022 hinsichtlich der Normierung eines Tempolimits. Hiernach steht nicht fest, dass zu den von den Klägern genannten Zeitpunkten Treibhausgasminderungen gerade im Verkehrssektor erbracht sein müssen. Das Verhalten von BMW ist auch vor diesem Hintergrund derzeit nicht rechtswidrig.
Wie ist das Urteil des LG München I zu bewerten?
Das Urteil des LG München I ist sorgfältig begründet und enthält überzeugende Argumente. Im Ergebnis folgt es dem vom LG Stuttgart im Parallelverfahren gegen Mercedes-Benz bereits eingeschlagenen Weg. Die Entscheidungen sind jedoch nicht rechtskräftig. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Gerichte in zweiter Instanz positionieren. Gut möglich ist, dass eine finale Entscheidung erst durch den BGH getroffen wird. Die DUH betont in ihrer Pressemitteilung zudem, dass der Vorsitzende Richter in der mündlichen Urteilsverkündung erläutert habe, dass die Klage bei unzureichenden Klimaschutzbemühungen in der Zukunft erfolgreich sein könne. Die Frage der zivilrechtlichen Verantwortung von Unternehmen im Hinblick auf den Klimawandel ist damit alles andere als entschieden. Dies gilt z. B. auch mit Blick auf die beim OLG Hamm anhängige Klage eines peruanischen Bauern gegen RWE sowie andere denkbare klimabezogene Streitgegenstände. Für Unternehmen bietet es sich daher nach wie vor an, die sich aus der Climate Change Litigation ergebenden Aspekte in ihre Klimastrategie zu integrieren.
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