Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 3 O 12581/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 07.02.2023, Az. 3 O 12581/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten über Ansprüche der Kläger aufgrund einer drohenden Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das klimaschädliche Inverkehrbringen von Personenkraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren durch die Beklagte.
I. 1. a) Die Klägerin zu 1) ist stellvertretende Bundesgeschäftsführerin des xxx e.V., die Kläger zu 2) und 3) sind dessen Bundesgeschäftsführer. Die Beklagte ist ein weltweit tätiges Automobilunternehmen und eines der größten Wirtschaftsunternehmen Deutschlands. Aus den Angaben im Geschäftsbericht der Beklagten für 2020 und den von der International Energy Agency (IEA) veröffentlichten weltweiten Verkaufszahlen von Pkw hatte die Beklagte 2019 einen Marktanteil von 2,88 % der weltweiten Pkw-Verkäufe. Der Pkw-Verkehr wiederum war 2019 nach einer Studie der IEA global für 7,42 % der CO2 Emissionen verantwortlich.
b) Die Bundesrepublik Deutschland sowie die Europäische Union ratifizierten das Übereinkommen von Paris vom 12.12.2015 (im Folgenden: Pariser Übereinkommen), in dem sich die Vertragsparteien verpflichteten, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene gibt es verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele des Pariser Übereinkommens.
So ist die Begrenzung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen Gegenstand der EU-Pkw-Emissionsverordnung vom 17.04.2019 (Verordnung (EU) 2019/631), die im Zuge des "Fit for 55" Maßnahmenpakets der Europäischen Union durch die Verordnung (EU) 2023/851 zur Änderung der PKW-Emissions-Verordnung (PKW-Emissions-Verordnung-2) verschärft wurde. Begründet wurde die Verschärfung mit dem neuen Treibhausgasminderungsziel der Europäischen Union (Erhöhung von 40 % auf 55 % bis 2030) und dem Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Dabei wurde ausdrücklich auf die Pariser Klimaziele und den Umstand, dass der Verkehrssektor der einzige Wirtschaftsbereich ist, in dem die Emissionen seit 1990 gestiegen sind, Bezug genommen (insbesondere Erwägungsgründe 1, 2, 6 und 9).
Festgelegt werden durch die Verordnung durchschnittliche Flottenzielwerte und herstellerspezifische Zielwerte, nicht aber eine absolute Begrenzung der CO2-Emissionen im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen neuer Personenkraftwagen mit Verbrennermotoren. Eine CO2-Emissionsminderung von 100 % für neue Personenkraftwagen gegenüber dem Basisjahr 2021 ist erst ab 2035 als EU-weiter Flottenzielwert vorgeschrieben. Für den Zeitraum ab 2030 wurde das Zwischenziel für den CO2-Flottenzielwert von neuen PKW ab dem Jahr 2030 durch die PKW-Emissions-Verordnung-2 von einer Verringerung von 37,5 % im Vergleich zum Basisjahr 2021 auf eine Verringerung von 55 % angehoben.
Der deutsche Gesetzgeber hat zur Erfüllung nationaler sowie europarechtlicher Klimaschutzziele 2019 unter Bezugnahme auf die Ziele des Pariser Übereinkommens das Bundesklimaschutzgesetz erlassen. Darin werden zur Erreichung der Ziele für sechs Sektoren, u.a. für den Verkehrssektor, zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt. Zunächst wurden dabei bis zum Zieljahr 2030 eine Minderungsquote von 55 % im Vergleich zu 1990 (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KSG) und gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG iVm Anlage 2 konkrete Jahresemissionsmengen bis 2030 festgelegt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 KSG sollten für Zeiträume ab dem Jahr 2031 die jährlichen Minderungsziele durch Rechtsverordnung gemäß Absatz 6 fortgeschrieben werden.
c) Im Zuge mehrere Verfassungsbeschwerden gegen Regelungen des KSG hat das BVerfG in seinem Urteil vom 24.03.2021, 1 BvR 2656/18, eine Beschwerdebefugnis aufgrund einer möglichen Verletzung der Freiheitsrechte der Beschwerdeführenden durch eine Verschiebung erheblicher Anteile der durch Art. 20a GG gebotenen Treibhausgasminderungslasten auf Zeiträume nach 2030 angenommen. Durch das Erfordernis, weitere Reduktionslasten dann kurzfristig zu erbringen, könne die grundrechtlich geschützte Freiheit der Beschwerdeführer bedroht sein (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, Rz. 116ff). Infolge der Prüfung der Begründetheit der Beschwerden hat es sodann im Tenor festgestellt, dass "§ 3 Absatz 1 Satz 2 und § 4 Absatz 1 Satz 3 Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt I Seite 2513) in Verbindung mit Anlage 2 [...] mit den Grundrechten unvereinbar [sind], soweit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen nach Maßgabe der Gründe genügende Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele f...