Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 13.09.2022; Aktenzeichen 17 O 789/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.09.2022, Aktenzeichen 17 O 789/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Kläger nehmen die Beklagte im Wesentlichen auf Unterlassung in Anspruch, nach dem 31. Oktober 2030 neue Personenkraftwagen mit Verbrennungsmotor in Verkehr zu bringen, sofern diese bestimmte Treibhausgase emittieren. Für den Fall, dass die Beklagte derartige Personenwagen auch noch nach dem genannten Zeitpunkt in Verkehr bringe, befürchten die Kläger Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers, die zu Eingriffen in ihre Grundrechte führen. Die Kläger sind der Ansicht, werde der Beklagten das Inverkehrbringen neuer Personenkraftwagen der genannten Art nach dem 31. Oktober 2030 untersagt, komme es nicht zu ihre Grundrechte beeinträchtigenden Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers.
I. Die Klägerin zu 1) ist die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin, die Kläger zu 2) und zu 3) sind die Bundesgeschäftsführer eines Umwelt- und Verbraucherschutzverbandes. Die Beklagte ist ein in Stuttgart ansässiges Unternehmen aus der Automobilbranche und gehört zu den größten Herstellern von Fahrzeugen weltweit.
Die Kläger befürchten durch das weitere Inverkehrbringen von nicht vollständig klimaneutral betriebenen Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor künftige Eingriffe in ihre Grundrechte. So müsse der deutsche Gesetzgeber bei einer weiteren Herstellung und dem Vertrieb von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor durch die Beklagte über das Jahr 2030 hinaus aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes in der Zukunft Maßnahmen zum Klimaschutz treffen, durch die die Kläger - aus heutiger Sicht - unzumutbar in ihren Grund- und Freiheitsrechten eingeschränkt würden. Da in praktisch jedem Lebensbereich Treibhausgase emittiert werden, würden künftige Maßnahmen potentiell jede vom Grundgesetz geschützte Freiheit der Kläger betreffen. Aufgrund eines (zu) späten Handelns des Gesetzgebers zur Reduktion von Treibhausgasemissionen werde es zwingend zu Maßnahmen kommen, die die Freiheitsrechte umfassend und massiv einschränken und weit über das Maß hinausgehen, das heute zur Abmilderung des Klimawandels erforderlich wäre. Aus diesem Grund sei es den Klägern nicht zumutbar zuzuwarten, bis der Gesetzgeber solche massiven und umfassenden Freiheitseinschränkungen ergreife. Um solche Einschränkungen zu verhindern, stehe den Klägern gegen die Beklagte als Mitverursacherin der Treibhausgasemissionen bereits heute ein Anspruch darauf zu, dass es die Beklagte - unter Berücksichtigung ihres Anteils an den weltweiten Treibhausgasemissionen - unterlasse, über das Jahr 2030 hinaus neue Personenkraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor in den Verkehr zu bringen.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
II. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kläger würden durch das beanstandete Verhalten der Beklagten nicht in rechtswidriger Weise in eigenen Rechten verletzt werden. So habe die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor durch die Beklagte keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht oder die Lebensgestaltung der Kläger, sondern könne allenfalls dazu beitragen oder dazu führen, dass der Gesetzgeber zukünftig Maßnahmen ergreife, die auch die persönliche Lebensgestaltung der Kläger beschränken könnten. Auch aus der in Art. 20a GG normierten Pflicht des Staates zum Schutz der Umwelt könnten die Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte ableiten, weil sich Art. 20a GG primär an den Gesetzgeber richte, der die Rahmenbedingungen zur Verhinderung einer weiteren Erwärmung der Erde vorzugeben habe.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 248 ff. LGA) verwiesen.
III. Gegen das den Klägern am 13. September 2022 zugestellte Urteil (Bl. 259 LGA) haben diese am 21. September 2022 Berufung eingelegt (Bl. 1 BA) und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 14. Dezember 2022 (Bl. 20 BA) mit Schriftsatz vom 07. Dezember 2022 (Bl. 22 BA) begründet.
Die Kläger sind der Ansicht, das Landgericht habe bereits den klägerischen Vortrag falsch verstanden und unvollständig erfasst. So sei die Beklagte nicht allein für die drohenden freiheitsbeschränkenden Maßnahmen kausal verantwortlich, sondern als Großemittentin eine Störerin unter mehreren Störern und daher kausal mitverantwortlich für drohende Einschränkungen. Für den ihr zurechenbaren Beitrag an der Störung sei die Beklagte haftbar. Darüber hinaus se...