Bundes-Klimaschutzgesetz: Was Unternehmen wissen müssen
Mit dem Klimaschutzgesetz wurden im Jahr 2019 die Klimaschutzziele in Deutschland erstmals verbindlich geregelt. Für Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden bis 2030 zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt. Dabei galt: Wenn Sektoren Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung in Form von Sofortprogrammen nachsteuern, um die Einhaltung der Emissionsmengen sicherzustellen.
2022 überschritten die Sektoren Gebäude und Verkehr die gesetzlichen Zielwerte. Die Regierung legte ein allgemeines Klimaschutzprogramm vor, damit eine „Klimalücke“ beim Einsparen von Treibhausgasen kleiner wird – und sah damit die Pflicht zum Nachsteuern im Verkehr und bei Gebäuden als erfüllt an. Mit dem geänderten Klimaschutzgesetz reagierte die Bundesregierung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Klimaschutzgesetz von 2019 in Teilen mit den Grundrechten unvereinbar ist.
Laut dem Gesetzentwurf wird für 2030 ein neues Zwischenziel von 65 (statt wie bisher 55) Prozent Treibhausgasminderung gegenüber dem Jahr 1990 vorgegeben. Bis zum Jahr 2040 soll die Minderung 88 Prozent betragen. Bis 2045 sind die Treibhausgasemissionen so weit zu verringern, dass Treibhausgasneutralität erreicht wird.
Was plant die Bundesregierung?
Das bestehende Bundes-Klimaschutzgesetz legt fest, wie viele Emissionen Deutschland je Ministerium und Jahr bis 2045 ausstoßen darf. Die Einhaltung der Klimaziele soll nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend.
Die Bundesregierung soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll (allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt). Die vorgeschlagene Novelle der Bundesregierung sieht demnach vor, nur noch die Gesamtbilanz der Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen, anstatt Klimaziele für jedes Ministerium festzulegen. Dies würde bedeuten, dass die einzelnen Ministerien nicht mehr verpflichtet wären, ihre eigenen Emissionsziele zu erreichen.
Doch die Ziele der einzelnen Ministerien sind entscheidend, um effektive Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen zu können. Das neue Klimaschutzgesetz würde vor dem genannten Hintergrund Emissionsreduktionen nur in jenen Ministerien vorsehen, in denen die größten Einsparpotenziale bestehen. Dies ist vor allem im Hinblick auf den Verkehrs- und Gebäudesektor bedenklich.
Verbände wie Germanwatch, WWF und BUND fordern in einem gemeinsamen Appell vor allem in den Sektoren Verkehr und Gebäude konkrete Nachschärfungen. Unter den Forderungen sind etwa die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen, die Steuerung sämtlicher Verkehrsinfrastruktur nach Klimakriterien sowie eine deutliche Steigerung der energetischen Sanierungsrate auf mindestens drei Prozent jährlich.
Warnung vor Abschwächung des Klimaschutzgesetzes
Statt Ende 2023 wird der Gesetzentwurf wohl im Frühjahr 2024 erstmalig dem Landtag vorgelegt werden. Das Gesetz wird dadurch erst in der zweiten Hälfte der Legislatur in Kraft treten können. Kritiker bemängeln, dass der Prozess rund um das Klimaschutzgesetz immer mehr zur Farce wird. Ein Bündnis aus 50 Organisationen, darunter die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie und Bioland, warnt vor einer Abschwächung des Klimaschutzgesetzes und fordert ein starkes Klimaschutzgesetz für sofortige Nachsteuerung. Zudem sollte es verbindliche Ziele für einzelne Bereiche vorsehen. Die Klimakrise sei im Kern eine soziale Frage: Unterlassener Klimaschutz würde vor allem benachteiligte Gruppen betreffen.
Vor allem unter den Maßnahmen im Bereich der Industrie (die neuen Klimaschutzverträge) und Gebäude (die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes in Verbindung mit der Einführung eines Wärmeplanungsgesetzes) sowie im Verkehrssektor mit der Einführung des Deutschlandtickets finden sich wichtige Neuerungen. Die Maßnahmen zielen jedoch hauptsächlich auf diejenigen Handlungsfelder zur Treibhausgasminderung ab, die bereits in der Vergangenheit bearbeitet wurden. Der Kern liegt weiterhin auf der Erhöhung der Effizienz des bestehenden fossilen Kapitalstocks sowie dem Energieträger- und Technologiewechsel. Die politische Geschäftsleiterin der Klima-Allianz Deutschland, Stefanie Langkamp, sagte, das Klimaschutzgesetz dürfe nicht geschwächt werden. BUND-Energieexperte Oliver Powalla bemerkte, dass mit der geplanten Abschaffung der Sektorziele das Klimaschutzgesetz seine bisherige Stärke verlieren würde. Eine Gesamtrechnung verschleiere den Handlungsdruck in den Sektoren.
Kritik kommt auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie - aber mit einem anderen Fokus. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch: „Unklar bleibt jedoch weiterhin, wie diese Ziele erreicht werden sollen.“ Die hohen Energiekosten seien eine enorme Belastung für die Industrie. Für die Einhaltung der Ziele im Industriesektor ist es besonders wichtig, dass die Förderprogramme zur Dekarbonisierung sowie die Klimaschutzverträge in Bewegung kommen und die erforderlichen Investitionen seitens der Industrie getätigt werden.
Dynamik aus der Wirtschaft
In der Wirtschaft und bei vielen Unternehmen gibt es allerdings eine Dynamik, die Erneuerung aktiv zu gestalten. So zum Beispiel Peter Blenke, Vorstand der Wackler Holding SE, und Dr. Christian Reisinger, promovierter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler und seit 2020 Geschäftsführer der „ConClimate GmbH“. In ihrem aktuellen Buch „Klimakurve kriegen. Was wir jetzt tun können, um unsere Klimaziele noch zu erreichen“ widmen sie sich entscheidenden Sektoren des deutschen Klimaschutzgesetzes (Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft/Ernährung), ergänzt um den Bereich der CO2-Senken (da die alleinige Einsparung von CO2 nicht ausreichen wird, um die Pariser Klimaziele zu erreichen). Beschrieben wird nicht nur der aktuelle Stand der Dinge – es wird auch dargestellt, welche Ziele anvisiert werden müssen, was Privatpersonen und Unternehmen aktiv tun können, und wie viel das jeweilige Handeln zur Reduktion von Treibhausgasen beiträgt. Der Umbau unserer Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität ist nur zu erreichen durch diese Hebel:
- massiver Ausbau der erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Infrastruktur
- Senkung des Energieverbrauchs durch höhere Energieeffizienz
- Elektrifizierung vieler vormals nicht elektrischer Prozesse
- Investitionen in Nachhaltigkeit
- klimafreundlicher Umbau der eigenen Lieferkette.
Der Staat spiele dabei eine Schlüsselrolle, denn er muss die Rahmenbedingungen definieren und als planende und gestaltende Kraft langfristig die Entscheidungen der wirtschaftlichen Akteure beeinflussen und in die richtige Richtung lenken.
Experten kritisieren neue Vorlage zum Klimaschutzgesetz
Bei der Anhörung des parlamentarischen Ausschusses zur Novelle des Klimaschutzgesetz (KSG) am 8. November war eine zentrale Frage, wie der Übergang in den EU-Klimarahmen gestaltet wird. Dafür braucht es eine schnelle Festlegung auf die Übergangsregeln (z. B. verlässlicher nationaler Preispfad, planbarer Kauf von Emissionsrechten im EU-Ausland).
Auch sollten die strengen jährlichen Sektorziele für die Bereiche Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft beibehalten und nicht abgeschafft werden. Denn das kann das Commitment für den Klimaschutz einzelner Ministerien aufweichen.
Klimaschutzexperten befürchten auch, dass die Verpflichtung, mit Sofortmaßnahmen gegenzusteuern, an Druck verlieren könnte. Konkret: Wenn Zielverfehlungen in einem Bereich künftig mit Fortschritten in anderen Sektoren verrechnet werden, können die Sektorziele nicht mehr eingeklagt werden. Ohne Sofortpflichten zur Nachsteuerung bei Zielverfehlungen ist verlässlicher Klimaschutz nicht möglich und die Klimaschutzbemühungen ungenügend.
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