Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1.) Eine Anfechtungsklage, die gegen die „Wohnungseigentümergemeinschaft S. (Wohnungseigentümer siehe anliegende Liste)” gerichtet ist, ist auslegungsfähig. Bei der Auslegung ist auch zu berücksichtigen, dass die Anfechtungsklage – anders als etwa eine Klage auf Schadensersatz – gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nur gegen die übrigen Eigentümer gerichtet werden kann.
2.) Für die Beurteilung der Beeinträchtigung eines Gartenhauses im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG im Rahmen eines Beschlussanfechtungsverfahrens gegen den Genehmigungsbeschluss kommt es nicht darauf an, ob das Gartenhaus für den Kläger sichtbar ist, geschweige denn, von welchem Standort innerhalb seines Sondereigentums aus das Gartenhaus noch zu sehen ist. Entscheidend ist der Blickwinkel von allen Gemeinschafts- und Sondereigentumsflächen aus.
Verfahrensgang
AG Lindau (Bodensee) (Urteil vom 31.10.2008; Aktenzeichen 4 C 0008/08) |
Tenor
I. Das Urteil des Amtsgerichts Lindau vom 31.10.2008 wird aufgehoben.
II. Der in der der Wohnungseigentümerversammlung vom 24.1.2008 unter TOP 2 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung ist vollumfänglich begründet.
1. Die Klage ist gegen den richtigen Beklagten gerichtet.
Zwar haben die Beklagten eingewendet, die Klage sei gegen „die Wohnungseigentümergemeinschaft” gerichtet gewesen und vom Amtsgericht im Rubrum auch so ausgesprochen worden. Jedoch nennt der Antrag im Passivrubrum zugleich die Liste der Wohnungseigentümer und ist damit zumindest mehrdeutig und somit auslegungsfähig.
Für die Frage, wer in einem Rechtsstreit Partei geworden ist, ist jedoch die von den Parteien gewählte Bezeichnung alleine nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr, welcher Sinn ihr im Wege der Auslegung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts der Klageschrift aus Sicht der Empfänger (Gericht und Gegner) beizulegen ist (st. Rspr., BGH, NJW 1998, 1496, 1498). Dabei ist bei mehrdeutiger Parteibezeichnung grundsätzlich diejenige Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (LG Düsseldorf ZMR 2008, 910). Insofern ergibt die Auslegung auch eindeutig, dass bei der Anfechtungsklage – anders als etwa bei einem Schadensersatzanspruch (vgl. OLG München MDR 2007, 1305) – gemäß § 46 Absatz 1 Satz 1 WEG nur die übrigen Eigentümer als Personenmehrheit in Betracht kommen.
2. Der Anfechtungsantrag ist auch begründet, da der Beschluss, mit dem die Errichtung des Gartenhauses auf der Sondernutzungsfläche des Miteigentümers M. genehmigt wird, entgegen § 22 Abs. 1 WEG nicht mit der bloßen Mehrheit der Stimmen gefasst werden konnte.
a. Bei der Genehmigung des bereits errichteten Gartenhauses handelt es sich um die Genehmigung einer baulichen Veränderung durch den Miteigentümer Mohr, § 22 Abs. 1 WEG.
Bauliche Veränderungen bedürfen gemäß § 22 Abs. 1 WEG der Zustimmung aller Miteigentümer, deren Rechte über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Als Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGHZ 116, 392; BayObLG ZMR 1987, 190).
b. Nach diesen Grundsätzen ist aufgrund der vorgelegten aussagekräftigen Lichtbilder, aufgrund der vom Erstgericht im Augenscheinstermin vom 7.7.2008 getroffenen Feststellungen und aufgrund des unstreitigen Sachverhalts eine Beeinträchtigung über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus zu bejahen.
Nach diesen Feststellungen misst das Gartenhaus ca. 9 qm und bedeckt etwa ¼ der Sondernutzungsfläche des Miteigentümers M.. Das Gartenhaus ist ferner gut von der Sondereigentumseinheit der Klägerin ebenso wie von den Sondernutzungsflächen der angrenzenden Miteigentumseinheiten zu sehen. Dabei ist das Gericht – anders als etwa bei dem individuellen Beseitigungsanspruch eines Miteigentümers – nicht auf die Beurteilung des Nachteils nur für diesen Miteigentümer beschränkt. Maßgeblich ist vielmehr der Blickwinkel von allen Gemeinschafts- (auch Sondernutzungs-)flächen sowie von allen Sondereigentumseinheiten. Es ist also noch nicht einmal erforderlich, dass die nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks aus der Wohnung der Klägerin sichtbar ist (vgl. OLG Celle WuM 1995, 338; Jennißen-Hogenschur...