rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anfechtungsklage gemäß § 46 I WEG ist noch „demnächst” im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden, wenn eine vom Kläger verursachte Verzögerung nur geringfügig ist.
2. Ob eine Verzögerung noch geringfügig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden. Wegen der weitreichenden Konsequenzen, die eine Versäumung der Monatsfrist des § 46 I WEG für den Kläger hätte, ist in diesen Fällen ein nicht zu strenger Maßstab anzulegen. Eine starre Obergrenze von 2 Wochen gibt es hier nicht.
3. Ein Abmahnbeschluss zur Vorbereitung eines Entziehungsverfahrens nach § 18 WEG muss das Verhalten, wegen dem abgemahnt wird, hinreichend bestimmt bezeichnen. Darüber hinaus muss das Verhalten generell geeignet sein, um als Grundlage für ein Entziehungsverfahren dienen zu können. Im übrigen wird im Anfechtungsverfahren der Abmahnbeschluss nur auf seine formelle Richtigkeit überprüft. Nicht geprüft wird, ob die erhobenen Vorwürfe zutreffend sind.
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 29.02.2008; Aktenzeichen 481 C 274/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 29.02.2008 in Ziffer I dahin abgeändert, dass der am 07.08.2007 unter dem Tagesordnungspunkt 12 gefasste Beschluss der Eigentümerversammlung der WEG B. in G. für ungültig erklärt wird und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
Im übrigen wird die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
II. Die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wird aufgehoben.
Von den Kosten beider Rechtszüge tragen die Kläger samtverbindlich 3/8 und die Beklagten samtverbindlich 5/8.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung ist hinsichtlich der Anfechtungsklage begründet, hinsichtlich der Feststellungsklage unbegründet.
1. Die Anfechtungsklage ist begründet. Der unter TOP 12 gefasste Beschluss der Eigentümerversammlung vom 07.08.2007 entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und war daher für ungültig zu erklären.
a) Die Klage wurde rechtzeitig erhoben.
(1) Gemäß § 46 I 2 WEG muss die Anfechtungsklage binnen einer Frist von einem Monat ab der Beschlussfassung erhoben werden. Da der hier gegenständliche Beschluss am 07.08.2007 gefasst worden war, endete die Monatsfrist gemäß § 188 II BGB mit Ablauf des 07.09.2008.
(2) Gemäß § 253 I ZPO ist die Klage mit der Zustellung an den Gegner erhoben. Hier wurde die Klage den Beklagten erst am 18.10.2007, mithin nach Ende der Monatsfrist zugestellt.
(3) Gemäß § 167 ZPO ist es jedoch für die Fristwahrung ausreichend, wenn die Klage rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist, sofern die Zustellung „demnächst erfolgt”.
(a) Vorliegend ging die Anfechtungsklage am 07.09.2007, also noch innerhalb der Monatsfrist, bei Gericht ein.
(b) Sie wurde nach Auffassung der Kammer auch noch „demnächst” im Sinne des § 167 ZPO zugestellt.
Eine Zustellung erfolgt demnächst gemäß § 167 ZPO, wenn sie innerhalb eines den Umständen nach angemessenen Zeitraums zwischen dem Ablauf der versäumten Frist und der (verspäteten) Zustellung bewirkt wurde (Thomas/Putzo, ZPO, § 167 Rz. 10). Welcher Zeitraum den Umständen nach noch angemessen ist, ist eine Frage des Einzelfalls (Thomas/Putzo, ZPO, § 167 Rz. 11). Eine absolute zeitliche Obergrenze gibt es nicht (BGH NJW 2003, 2830, 2831; 2006, 3206, 3207). Maßgeblich ist der Zweck des § 167 ZPO: Der Kläger soll vor Nachteilen geschützt werden, die durch den gerichtlichen Geschäftsbetrieb, den er nur bedingt beeinflussen kann, entstehen (BGH NJW 2001, 885, 887; 2003, 2830, 2831; 2006, 3206, 3207). Demgegenüber muss die Partei sich grundsätzlich solche Verzögerungen zurechnen lassen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können (BGH NJW 2001, 885, 887; 2003, 2830, 2831; 2006, 3206, 3207). Geringfügige Verzögerungen sind dabei allerdings auch dann unschädlich, wenn sie auf Nachlässigkeit der Partei beruhen (BGH NJW 2003, 2830, 2831; Thomas/Putzo, ZPO, § 167 Rz. 12), soweit keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegenstehen (Zöller/Greger, ZPO, § 167 Rz. 10).
(aa) Vorliegend beruht die Verzögerung der Zustellung zunächst einmal darauf, dass das Amtsgericht die Zustellung von der Einzahlung des Gebührenvorschusses abhängig machte. Dazu war es gemäß § 12 I 1 GKG berechtigt. § 12 I 1 GKG ist eine Sollvorschrift. Sie lässt dem Gericht also einen gewissen Entscheidungsspielraum. Die Entscheidungsfindung ist dem internen Gerichtsablauf zuzuord...