Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung
Tenor
1) Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts … 02.10.1986 aufgehoben.
2) Die Beklagte wird verurteilt, die 1-Zimmerwohnung im Anwesen … 1. Obergeschoß mitte, bestehend aus 1 Zimmer, 1 Küche, 1 Korridor, 1 Bad, 1 Toilette sowie dem dazugehörigen Kelleranteil und Tiefgaragenplatz zu räumen und an die Kläger herauszugeben.
3) Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 12.11.1987 gewährt.
4) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Der Kläger war Kinderarzt und befindet sich nunmehr im Ruhestand. Die Kläger haben ihre 1-Zimmer-Eigentumswohnung in Seeshaupt seit September 1979 an die Beklagte vermietet. Die Nettomiete beträgt DM 550,–.
Die Kläger begehren Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Die geschiedene Tochter der Kläger ist Arzthelferin und bewohnt mit ihrem 11-jährigen Kind eine Mietwohnung in München. Ihr Nettogehalt beträgt DM 1.100,– monatlich.
Den Mietzins in Höhe von DM 1.580 – bezahlen die Kläger für ihre Tochter. Der Kindsvater leistet (unregelmäßig) DM 300,– monatlich Kindsunterhalt.
Mit Schreiben vom 04.02.1986 haben die Kläger das Mietverhältnis zum 31.08.1986 gekündigt.
Die Mietkosten für die Tochter seien zu hoch. Es sei beabsichtigt die an die Beklagte vermietete Wohnung zu verkaufen und mit diesem Erlös eine neue Wohnung für die Tochter zu erwerben. Der Verkauf der vermieteten Wohnung würde einen erheblichen finanziellen Nachteil bedeuten.
Die Beklagte hat der Kündigung widersprochen. Ihr sei es unmöglich, innerhalb angemessener Frist eine vergleichbare Ersatzwohnung zu finden. Sache der Kläger sei es, nachprüfbare Fakten und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten es versäumt, ihre finanziellen Einbußen, die sie bei Fortbestand des Mietverhältnisses hinnehmen müßten, darzulegen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung.
Im übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte war antragsgemäß zur Räumung der Wohnung zu verurteilen, weil die Kündigung vom 04.02.1986 rechtswirksam ist.
Gemäß § 564 b Abs. 1 BGB kann der Vermieter regelmäßig nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Das ist der Obersatz, der auch im vorliegenden Fall immer im Auge zu behalten ist.
Hier geht es darum, ob die Kläger bei Fortbestehen des Mietverhältnisses
Da es sich bei der Wohnung um eine Eigentumswohnung handelt, kommt § 564 b Abs. 2 Satz 3 BGB ohnehin nicht in Betracht. Daß die Kläger die Wohnung kündigen, um im Rahmen eines neuen Mietverhältnisses einen höheren Mietzins zu erzielen (§ 564 b Abs. 2 Satz 2 BGB), behauptet niemand.
Wäre die von den Beklagten vertretene Rechtsansicht zutreffend, müßte dem vermögenden Bundesbürger grundsätzlich das berechtigte Interesse an der Kündigung eines Mietverhältnisses gem. § 564 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 b BGB abgesprochen werden, denn diese sind regelmäßig in der Lage, eine zweite Eigentumswohnung zu erwerben. Daß es sich so nicht verhalten kann, liegt auf der Hand.
Mit welchem Lebenssachverhalt die oben aufgezeigten Tatbestandsmerkmale im Prozeß ausgefüllt werden müssen, richtet sich nach dem konkreten Einzelfall.
Die Anforderungen werden sicherlich dann hoch sein, wenn allein deshalb gekündigt wird, um beim bevorstehenden Verkauf der Wohnung einen höheren Erlös zu erzielen. Die grundsätzliche Zulässigkeit dieser Vorgehensweise wird von der herrschenden Mehrheit bejaht (vgl. Palandt-Putzo, 46. Aufl., Anm. 8 a bb – Soergel-Kummer, 11. Aufl., RZ 58 jeweils zu § 564 b BGB; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., Seite 516 m.w.N.).
Richtig ist auch, daß bei der Beurteilung der Frage, ob der Tatbestand des § 546 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfüllt ist, die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Vermieters zu berücksichtigen sind (vgl. Palandt-Putzo, a.a.O.). Das darf jedoch nicht zu einer Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Vermieter führen. Im vorliegenden Fall kann sogar davon ausgegangen werden, daß der Erlös aus dem Verkauf der 1-Zimmer-Wohnung wohl kaum ausreichend sein wird, um für die Tochter eine 3-Zimmerwohnung zu erwerben. Es kann unterstellt werden, daß die Kläger einen erheblichen Betrag „zuschießen” müssen. Der Wirksamkeit der Kündigung steht das nicht entgegen, wenn der oben erwähnte Obersatz beachtet und das Wort „insbesondere” in § 564 b Abs. 2 Satz 1 BGB richtig gewürdigt wird. Dann nämlich tritt der soziale Hintergrund der gegenständlichen Kündigung in den Vordergrund. Die Kläger haben erkenntlich von der gar nicht so seltenen Möglichkeit Abstand genommen, den Eigenbedarf als Vehikel zur Kündigung und damit zur Räumung der Wohnung zu benutzen. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß einer solchen Kündigung wohl kaum der E...