Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen die Mutter über die Identität des Vaters
Leitsatz (amtlich)
Ein nichteheliches Kind hat – bei Vorliegen grundgesetzlich geschützter Interessen – gemäß § 1618a BGB ein Anspruch gegen seine Mutter, ihm Auskunft über Namen und Anschriften derjenigen Männer zu erteilen, die der Mutter in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt haben.
Normenkette
BGB § 1618a; GG Art. 2 Abs. 1; ErbStG § 10 Abs. 1 StKl I Nr. 2 Buchst. D; GG Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Steinfurt (Urteil vom 21.09.1989; Aktenzeichen 3 C 573/89) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen – das am 21. September 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Steinfurt teilweise abgeändert und neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die vollständigen Vor- und Familiennamen und letzten ihr bekannten Adressen der Männer zu erteilen, denen sie in dem Zeitraum vom 181. bis zum 302. Tage vor dem 17. April 1959 geschlechtlich beigewohnt hat.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.
Tatbestand
Die Klägerin wurde am 17. April 1959 als nichteheliches Kind der Beklagten geboren. Die Beklagte hat zwei weitere nichteheliche Kinder. Nachdem die Klägerin zunächst in einem Kinderheim untergebracht worden war, kam sie im Alter von fünf Jahren zu Pflegeeltern. Die Klägerin forderte die Beklagte mehrfach vergeblich auf, ihr den Namen ihres Vater bekanntzugeben.
Auch sonstige Bemühungen der Klägerin, die Identität ihres leiblichen Vaters zu ermitteln, sind gescheitert. Die Klägerin hat erhebliche Anstrengungen unternommen, über Jugendämter und Kinderheime den Namen ihres leiblichen Vaters zu ermitteln. Der Name des Vaters wird weder in irgendwelchen Akten des Jugendamtes noch in sonstigen Unterlagen erwähnt.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihr früher einmal zugesichert, sie werde ihr – der Klägerin – den Namen des Vaters nennen, sobald sie 18 Jahre alt sei. Nach Erreichen des 18. Lebensjahres habe die Beklagte sie auf das Erreichen des 21. Lebensjahres vertröstet. Nachdem die Klägerin das 21. Lebensjahr vollendet gehabt habe, habe die Beklagte erklärt, die Klägerin werde den Namen des Vaters erst bei ihrem Tode erfahren, der Name des Vaters stehe in ihrem Testament.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie wolle die Identität ihres Vaters u.a. aus persönlichen Gründen erfahren. Sie habe ein Interesse daran, daß der Vater in Personenstandsbüchern und -urkunden genannt werde. Außerdem wolle sie den Namen ihres Vaters zur Geltendmachung etwaiger Erb-, Erbersatz- und Unterhaltsansprüche erfahren.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie Auskunft zu erteilen über den vollständigen Namen und Anschrift des leiblichen Vaters der Klägerin.
Hilfsweise hat sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Angabe von Namen und Adresse Auskunft zu erteilen, wem sie in dem Zeitraum vom 181. bis zum 302. Tage vor dem 17.04.1959 geschlechtlich beigewohnt hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, sie könne den Vater der Klägerin nicht eindeutig benennen. Sie habe während der gesetzlichen Empfängniszeit mit vier Männern geschlechtlich verkehrt. Einer dieser vier Männer sei bereits verstorben, die anderen drei Männer lebten in geordneten familiären Verhältnissen. Sie hat die Auffassung vertreten, es würde die jetzt bestehenden Familien der drei überlebenden möglichen Väter in ungebührlichem Maße belasten, wenn nun nach so langer Zeit Ansprüche der Klägerin geltend gemacht werden.
Ferner hat die Beklagte die Auffassung vertreten, ihr Interesse an der Geheimhaltung des Namens des Vaters überwiege gegenüber dem Auskunftsinteresse der Klägerin. Eine Auskunftserteilung stelle einen unzumutbaren Eingriff in das Privatleben der betroffenen Männer dar.
Das Amtsgericht Steinfurt hat die Beklagte durch Urteil vom 21.09.1989 verurteilt, der Klägerin Auskunft über den vollständigen Namen und die Anschrift des leiblichen Vaters der Klägerin zu erteilen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Auskunftsanspruch der Klägerin ergebe sich aus § 1618 a BGB in Verbindung mit §§ 1934 a ff. BGB (a.F.) unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gleichstellungsgebotes aus Art. 6 Abs. 5 GG. Das Interesse der Beklagten auf Schutz ihrer Intimsphäre müsse gegenüber den Interessen der Klägerin an der Kenntnis ihres leiblichen Vaters zurücktreten.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, § 1618 a BGB biete keine Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren der Klägerin; diese Norm habe nur programmatischen Charakter. Der Schutz ihrer Intimsphäre sei höher zu bewerten als das Interesse der Klägerin an der Kenntnis ihres leiblichen Vaters. Außerdem stelle die Auskunftserteilung für die betreffenden Männ...