Verfahrensgang
AG Neuruppin (Entscheidung vom 06.02.2008; Aktenzeichen 87 Gs 446/07) |
Tenor
wird die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 06.02.2008 - 87 Gs 446/07 - als unbegründet verworfen.
Die Kosten der Beschwerde und die notwendigen Auslagen des ehemaligen Beschuldigten trägt die Landeskasse.
Gründe
In der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht dem ehemaligen Beschuldigten eine Entschädigung für den ihm durch die Sicherstellung seines Führerscheins in der
Zeit vom 07.06.2007 bis zum 29.06.2007 entstandenen Schaden nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) gewährt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde, die zulässig, in der Sache jedoch erfolglos ist.
Der Betroffene war am 07.06.2007 als Führer seines Pkw BMW, amtliches Kennzeichen OHV-... in Oranienburg einer Verkehrskontrolle unterzogen worden. Hierbei hatte er den kontrollierenden Beamten seinen am 21.12.2004 ausgestellten polnischen Führerschein der Klasse B (Kraftfahrzeuge - ausgenommen Krafträder - bis 3,5 t Gesamtmasse) vorgelegt. Da indes der polizeiliche Datenabgleich eine gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht Oranienburg, die Eintragung einer - am 27.10.1997 ausgelaufenen - Sperrfrist und die aktuelle unanfechtbare Versagung der Fahrerlaubnis der Klasse B in der Bundesrepublik ergeben hatte, stellten die Polizeibeamten, nach deren Ansicht der Beschuldigte unter dem Verdacht des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis stand, den polnischen Führerschein sicher. Am 23.07.2007 wurde das Ermittlungsverfahren gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Neuruppin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt und der sichergestellte Führerschein wieder herausgegeben.
Auf Antrag des Beschuldigten hat das Amtsgericht Neuruppin in der angefochtenen Entscheidung ihm für die Zeit der Sicherstellung seines polnischen Führerscheins einen Schadensersatzanspruch nach dem Strafentschädigungsgesetz zugesprochen. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Neuruppin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass eine Entschädigung ausgeschlossen sei, weil der Beschuldigte die Sicherstellung seines polnischen Führerscheins zumindest grob fahrlässig verursacht habe (§ 5 Abs. 2 S. 1 StrEG), indem er mit der Erlangung der Fahrerlaubnis in Polen nach der vorangegangenen Versagung durch eine deutsche Behörde bewusst deutsches Recht umgangen habe.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, aber unbegründet.
Der ehemalige Beschuldigte hat die Sicherstellung seines polnischen Führerscheins weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht, weil ihm zum Zeitpunkt der Sicherstellung nach geltendem EU-Recht erlaubt war, von seiner in Polen erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.
Nach Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 u. 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 über den Führerschein in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 02.06.1997 ist es einem Mitgliedsstaat verwehrt, das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeuges aufgrund eines in einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins und damit dessen Gültigkeit in seinem Hoheitsgebiet deshalb nicht anzuerkennen, weil sich sein Inhaber, dem in dem erstgenannten Staat eine vorher erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden war, nicht der nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach dem genannten Entzug erforderlichen Fahreignungsprüfung unterzogen hat, wenn die mit diesen Entzug verbundene Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis abgelaufen war, als der Führerschein in dem anderen Mitgliedsstaat ausgestellt wurde (vgl. EuGH in NJW 2004, 1725 ff.; 2006, 2173 ff.) . So liegt der Fall hier.
Der ehemalige Beschuldigte hatte seine polnische Fahrerlaubnis nach einem vorangegangenen Entzug, aber nach ausgelaufener Sperrfrist erworben, ohne die nach deutschem Recht erforderliche Fahreignung für die Wiedererteilung zu erfüllen.
Auch verleiht die genannte Vorschrift dem Ausstellungsmitgliedsstaat eine ausschließliche Zuständigkeit, sich zu vergewissern, dass der Führerschein unter Beachtung der in Art. 7 Abs. 1 und 9 dieser Richtlinie vorgesehenen Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt wurde mit der Konsequenz, dass es einem Aufnahmemitgliedsstaat (hier die Bundesrepublik) bei einer in seinem Hoheitsgebiet vorgenommenen Straßenverkehrskontrolle verwehrt ist, die Anerkennung eines Führerscheins, der dem Führer eines Kraftfahrzeuges von einem anderen Mitgliedsstaat (hier Polen) ausgestellt wurde, mit der Begründung zu verweigern, dass Zweifel an der Wohnsitzvoraussetzung bestehen (EuGH in NJW 2004, 1725 ff.).
Dieser geltenden EU-Richtlinie ist zu entnehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers alle Führerscheine aus EU-Mitgliedsstaaten wie deutsche Führerscheine zu behandeln sind. Daher dürfen an die Inhaber von Führerscheinen aus EU-Mitgliedsstaate...