Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumungsrechtsstreit bei Wohnraummiete: Behandlung einer neuer Kündigungsbegründung

 

Orientierungssatz

1. Im Räumungsprozeß nach einer Mietvertragskündigung können neue, im Kündigungsschreiben nicht angegebene Kündigungsgründe, nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie nachträglich entstanden sind. Bereits im Kündigungsschreiben genannte Kündigungsgründe dürfen jedoch konkretisiert werden.

2. Beruft sich der Vermieter im Laufe eines Rechtsstreits auf neue Kündigungsgründe, so ist es eine Frage der Auslegung, ob der Vermieter eine erneute Kündigung aussprechen oder sich lediglich zur Rechtfertigung der schon ausgesprochenen Kündigung neuer Gründe bedienen will (Anschluß OLG Zweibrücken, 17. Februar 1981, 3 W 191/80, WuM 1981, 177). Dabei ist entscheidend, ob für den beklagten Mieter eindeutig erkennbar ist, daß neben der Klage als Prozeßhandlung eine Kündigung des Mietvertrages als materiellrechtliche Willenserklärung abgegeben worden ist (Anschluß BayObLG München, 14. Juli 1981, Allg Reg 32/81, WuM 1981, 200)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 20.07.2000 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Räumung der Wohnung gemäß § 565 BGB. Denn ihre Kündigung gemäß § 564b Abs. 1, 2 BGB vom 12.08.1998 ist unwirksam, weil der Kündigungsgrund nicht gemäß § 564b Abs. 3 BGB hinreichend konkretisiert angegeben wurde. Erforderlich ist ein mit einem Tatsachenkern begründetes Kündigungsschreiben, damit der Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erlangt und so in die Lage versetzt wird, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Die Klägerin hat die Kündigung mit einem beabsichtigten Abriss des Gebäudes begründet, wobei sie die Frage eines Neubaus offen ließ. Dem Kündigungsschreiben ist ferner zu entnehmen, dass der Abriss erforderlich ist, weil unaufschiebbare Renovierungsarbeiten für mehr als 100.000,00 DM notwendig sein würden. Will der Vermieter die angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks durch Abriss des Hauses erreichen, genügt nicht allein der Hinweis auf den schlechten Zustand des Hauses. Der Vermieter hat die Gründe darzulegen, die für einen Abriss sprechen. Die notwendige Erneuerung der Elektro-, und Wasserleitungen rechtfertigt für sich allein gesehen nicht den Abriss eines Gebäudes. Weitere erforderliche Arbeiten hat die Klägerin in dem Kündigungsschreiben nicht konkretisiert. Auch hat der Vermieter darzulegen, dass und aufgrund welcher Berechnungen der Abriss in erheblichem Maße wirtschaftlicher ist als die Aufrechterhaltung, des bestehenden Zustands (Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 7. Aufl., Rdz. 272). Dementsprechend hätte es vorliegend näherer Angaben über die derzeitige Rendite bedurft sowie auch Angaben dazu, wie sich etwa notwendige Renovierungsarbeiten auf die zu zahlende Miete auswirken bzw. inwieweit eine Mieterhöhung nach § 3 MHG wegen baulicher Änderungen in Betracht gekommen wäre. Ohne diesbezügliche Angaben sowie der genauen Beschreibung der Renovierungsmaßnahmen, die den Betrag von mehr als 100.000,00 DM erforderlich machen sollen, konnte sich der Beklagte nicht über seine Rechtsposition klar werden. Es ist nicht deutlich, welche Nachteile der Vermieterin drohen, wenn das Gebäude nicht ersatzlos abgerissen wird. Die Kündigung ist, daher unwirksam.

Soweit die Klägerin nunmehr ihre Räumungsklage mit Sanierungsmaßnahmen begründet, wurde diese Art der Verwertung nicht im Kündigungsschreiben angegeben. Sie kann daher gemäß § 564b Abs. 3 BGB keine Berücksichtigung finden. Eine Ausnahme gilt für Kündigungsgründe, die nachträglich entstanden sind, sowie für die Konkretisierung bereits angegebener Kündigungsgründe. Vorliegend handelt es sich nicht lediglich um eine Konkretisierung, sondern um eine andere Art der wirtschaftlichen Verwertung, an deren Darlegung andere Anforderungen als im Fall des Abrisses gestellt werden, da z.B. auch Angaben zur weiteren Verwendung und zu erzielenden Mieteinnahmen zu fordern sind, um die andernfalls drohenden erheblichen Nachteile nachvollziehen zu können. Es kann offen bleiben, ob die Absicht, das Haus zu sanieren, nach Abgabe der Kündigungserklärung aufgekommen ist. Denn eine ursprünglich mangels Angabe ausreichender Gründe unwirksame Kündigungserklärung wird nicht durch Nachschieben neuer Gründe wirksam (Schmidt-Futterer a.a.O., Rdz. 296 m.w.N.). Der Vermieter muss vielmehr eine neue Kündigung aussprechen, die auch im Prozess schlüssig erklärt werden kann. Daran fehlt es jedoch vorliegend. Beruft sich der Vermieter im Laufe eines Rechtsstreits auf neue Kündigungsgründe, so ist es eine Frage der Auslegung, ob der Vermieter eine erneute Künd...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge