Gründe
›... Das Amtsgericht hat einen Schmerzensgeldanspruch des Kl. (§ 823 i. V. m. § 847 BGB) zu Recht verneint. Zwar hat der Bekl. den Kl. rechtswidrig und schuldhaft verletzt. Den Kl. trifft hieran jedoch ein überwiegendes Mitverschulden. Dieses Mitverschulden überwiegt so sehr, daß es unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Schmerzensgeldanspruchs vorliegend zum völligen Ausschluß des Anspruches führt, § 254 BGB. ...
Das überwiegende Mitverschulden des Kl. ergibt sich daraus, daß dieser den tätlichen Angriff des Bekl. dadurch in erheblichem Maße selbst verursacht hat, daß er .. nicht nur mit der Ehefrau des Bekl. fremdging, sondern dies auch noch im ehelichen Schlafzimmer des Bekl. geschah. ... Die
Kammer kann insbesondere nachvollziehen, daß [trotz] des schon vorher gehegten Verdachts des Bekl., den er gegenüber seiner Frau hinsichtlich ihres Umganges mit dem Kl. hatte, er dennoch nicht darauf gefaßt war, die beiden im ehelichen Schlafzimmer .. im Bett anzutreffen, und daß er unter diesen Umständen in einem Ausbruch spontanen Zornes den Kl. tätlich angriff.
Bei der nach § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung des Mitverschuldens dahingehend, ob eine Ersatzverpflichtung gegeben ist, ist im Falle des § 847 BGB u. a. auch vom Zweck des Schmerzensgeldanspruchs auszugehen. Dieser wird allgemein in einer Ausgleichsfunktion und einer Genugtuungsfunktion gesehen. Unter Berücksichtigung dieser Funktionen muß die Zahlung eines Schmerzensgeldes der Billigkeit entsprechen, da nach § 847 BGB nur eine ›billige Entschädigung in Geld‹ verlangt werden kann. Das betrifft nicht allein die Höhe, vielmehr kann im Einzelfall die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes an sich unbillig sein. Trifft ein Ehemann im Schlafzimmer der Ehewohnung seine Ehefrau in flagranti mit einem Dritten an und greift er daraufhin in aufflammendem Zorn den Liebhaber der Ehefrau tätlich an und verletzt ihn, so kann das Mitverschulden des Verletzten im Einzelfall so hoch zu bewerten sein, daß jedenfalls ein Schmerzensgeldanspruch nicht besteht. So liegt der Fall hier.
Das Verhalten des Kl. stellte eine ungeheure Provokation des Bekl. dar. Zwar ist die Ehe als solche nicht gewaltsam schützbar und der Bekl. letztlich auch nicht davor zu schützen, daß seine Ehefrau durch die Beziehung zu einem anderen Partner aus der Ehe herausdrängt. Die Abwendung vom Ehegatten, die auf einer freien Willensentscheidung beruht, muß von diesem letzten Endes hingenommen werden. Es macht aber einen erheblichen Unterschied, ob sich der Ehebruch an irgendeinem anderen Ort oder im Schlafzimmer der Ehewohnung vollzieht. Denn es offenbart ein besonderes Maß an Hemmungslosigkeit und Unverfrorenheit gegenüber dem Bekl., wenn sich dessen Ehefrau und der Kl. Ä wie geschehen Ä zu diesem Zwecke in die Ehewohnung begaben. ... Dieses Verhalten geschah unter Ausnutzung des Umstandes, daß der Bekl. im 24- Stunden-Schichtdienst auf seiner Arbeitsstelle zu sein hatte, und im Vertrauen darauf, daß er schon aus diesem Grunde nicht am Ort des Geschehens werde erscheinen können.
Dem Bekl. mußte, als er den Kl. in flagranti stellte, schlagartig klar werden, wie berechnend dieser auch die Arbeitsbedingungen des Bekl. schamlos und in nicht zu überbietender Dreistigkeit ausnutzte. Das gilt um so mehr, als dem Bekl. schon seit einiger Zeit der Verdacht ehelicher Untreue seiner Frau gekommen war, der jedoch bis dahin immer wieder zerstreut werden konnte. Dies alles mußte sich auch der Kl. sagen; er hatte in dieser Situation mit aufflammendem Zorn des Bekl. und einem daraus resultierenden körperlichen Angriff zu rechnen .. .
Eine besondere Genugtuung kann der Kl. danach vom Bekl. schlechterdings nicht verlangen. ... Auch die daneben zu berücksichtigende Ausgleichsfunktion gebietet vorliegend nicht die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes. ...
Schließlich steht der Verneinung eines Schmerzensgeldanspruches auch nicht der Gedanke entgegen, daß hiermit eine von der Rechtsordnung nicht zugestandene Selbstjustiz legalisiert wurde. Das ist nicht der Fall. Das Verhalten des Bekl. bleibt rechtswidrig. Ein Freibrief für Ehemänner, in vergleichbaren Situationen auf die Liebhaber ihrer Ehefrauen einschlagen zu können, kann in dieser Entscheidung schon deshalb nicht gesehen werden, weil bei Verletzungen des Kontrahenten nicht nur ein Schmerzensgeldanspruch im Raume steht, sondern auch Ansprüche auf materiellen Schadensersatz, wie z. B. für Arzt- und Krankenhauskosten. Insoweit kommt zumindest eine Mithaftung durchaus in Betracht, worüber vorliegend aber nicht zu entscheiden war. Ferner hat der Täter stets mit einem Strafverfahren wegen Körperverletzung zu rechnen. ...‹
Abl. Anmerkung von J. Ennuschat und A. Pohl, in FamRZ 1990 Heft 6 S. 622: Die Entscheidung des LG Paderborn sei ›zwar menschlich verständlich, jedoch juristisch schwerlich haltbar‹.
Fundstellen
Haufe-Index 2996808 |
NJW 1990, 260 |
DRsp I(123)335b |
FamRZ 1990, 516 |
AdVoice 2008, 62 |