Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 156 KostO

 

Nachgehend

OLG München (Beschluss vom 03.11.2005; Aktenzeichen 32 Wx 111/05)

 

Tenor

1. Es verbleibt bei der Rechnung des Notars … vom 20.2.2002 –.

2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Notar … hat am 20.2.2002 eine Scheidungsvereinbarung beurkundet ….

Dafür hat er folgende Rechnung gestellt:

KOSTENBERECHNUNG

gemäß §§ 141, 154 KostO

(Kostenregister-Nr. … vom 20.02.02)

… vom 20.02.02

Scheidungsvereinbarung

Paragraphen der Kostenordnung

Gegenstand der Gebühr

Gebühr

660.001,93

§ 36 II; 39 II; 20

Vertrag

2.124,00 EUR

§ 136; 152 I

Dokumentenpauschale

50,35 EUR

§ 137; 152 II

Auslagen

42,00 EUR

Netto-Gesamtsumme:

2.216,35 EUR

§ 151 a

16 % Umsatzsteuer:

354,62 EUR

Gesamtbetrag:

2.570,97 EUR

GW:

Ehevertrag (GT):

Reinvermögen nach Angabe ca. DM 1.000.000,00 =

EUR

511.291,88

(Vermögensverteilung inkl. Regelungen bzgl. Hausrat und dergleichen zwischen den Ehegatten gegenstandsgleich mit Ehevertrag)

Hälfteübertragung an Kind:

Haus- und Grundstückswert nach Angabe ca. DM 400.000,00 = EUR 204.516,75, davon die Hälfte =

EUR

102.258,37

Zahlung an Stieftochter:

EUR

20.451,68

Unterhalt: EUR 500,00 × 12 =

EUR

6.000,00

Ausschluss Versorgungsausgleich § 30 II:

EUR

3.000,00

Elterliche Sorge § 30 II:

EUR

2.000,00

Kindesunterhalt ca. EUR 200,00/Monat × 12 × 5 =

EUR

12.000,00

Erb- und PTV § 30 II:

EUR

3.000,00

zusammen

EUR

660.001,93

Im Prüfbericht wurde beanstandet, dass für den gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht seitens des Notars ein Abschlag vorgenommen wurde.

Der Notar hat in seiner Stellungnahme vom 26.5.04 – auf die im übrigen verwiesen wird – an seiner Geschäftswertfestsetzung in Höhe des Regelwertes von Euro 3.000 festgehalten mit der Begründung, dass es absolut unwahrscheinlich sei, dass einer der Ehegatten bis zu dem Wegfall des gesetzlichen Erbrechts versterbe.

Die Notarkasse ist im Schriftsatz vom 11.2.05 dieser Meinung entgegengetreten.

Der Präsident … hat den Notar gemäß § 156 Abs. 6 KostO angewiesen, die Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen; vor der Entscheidung wurden er sowie die an der Urkunde Beteiligten gehört.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Frage, wie hoch der Wert eines Erb- und Pflichtteilsverzicht im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung festzusetzen ist, ist umstritten. Es besteht schon keine Einigkeit darüber, ob dieser Wert nach § 30 Abs. 1 KostO (nach freiem Ermessen) zu bestimmen ist oder nach § 39 KostO (vgl. Korintenberg, KostO, 15. Aufl., RdNr. 30 ff. zu § 39).

Die Kammer ist mit der überwiegenden Meinung der Auffassung, dass der Wert des Verzichts stets nach § 30 Abs. 1 KostO bestimmt werden müsse.

In dem Meinungsstreit, ob der Grad der Wahrscheinlichkeit des Überlebens des Verzichtenden und die Änderung der Vermögensverhältnisse bei der Bestimmung nach § 30 Abs. 1 KostO berücksichtigt werden muß oder ob solche Umstände überhaupt nicht absehbar sind, weswegen für Bestand und Wert der entsprechende Bruchteil aus dem Reinnachlass entscheidend ist, schließt sich die Kammer der ersteren Auffassung an, wie sie auch vom Oberlandesgericht Stuttgart im Beschluss vom 20.5.92 überzeugend dargelegt ist (DNotZ 92, 750).

Danach ist im Falle der Beurkundung eines Erb- und Pflichtteilverzichts von Ehegatten geschäftswertmindernd zu berücksichtigen, dass diese in Scheidung leben.

Gemäß § 1933 BGB ist das Erbrecht des überlebenenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren; dies bedeutet, dass der Geschäftswert eines Erb- und Pflichtteilverzichtes, den in Scheidung lebende Ehegatten abgeben, erheblich geringer ist, als wenn bei den selben Ehegatten eine Scheidung nicht in Aussicht steht.

Durch die Beurkundung des gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzichts begeben sich also die Ehegatten nicht der Chance des Erbes in Höhe ihres gesetzlichen Anteils am Reinvermögen des anderen Ehegatten, sondern sie verzichten auf ein wegen der Wirkungen des Scheidungsverfahrens nahezu wertlos gewordenes Erbrecht.

Es wäre deshalb unbillig, wenn der Geschäftswert in Höhe des gesetzlichen Erbteils am Reinvermögen festgesetzt würde.

Die Kammer folgt also dem Oberlandesgericht Stuttgart – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts München (in DNotZ 1939, 682).

Es ist somit nicht zu beanstanden, dass der Notar hier einen Geschäftswert von Euro 3.000 zugrundegelegt hat.

III.

Gebühren werden nicht erhoben, die weitere Beschwerde wird zugelassen, weil die Kammer der zur Entscheidung stehenden Frage grundsätzliche Bedeutung beimißt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1697044

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