Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung: Lärmbelästigung durch die Kinder taubstummer Mieter

 

Orientierungssatz

Als schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten, die den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, können Lärmbelästigungen durch die Kinder der taubstummen Mieter nicht angesehen werden, wenn diese eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen haben, um die beklagten Lärmemissionen zu beseitigen bzw zu vermindern wie zB durch die Entfernung einer Stereoanlage aus der Wohnung, den Einbau von Lautstärkereglern in den übrigen elektroakustischen Geräten und die Anschaffung eines Gerätes, das den Lärm schreiender Kinder optisch anzeigt.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Cham vom 23.04.1998 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts Cham vom 23.04.1998 ist begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten nicht die Rückgabe der gemieteten Wohnung gemäß § 556 Abs. 1 BGB verlangen, weil das Mietverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungen des Klägers vom 11.09.1997 bzw. 22.09.1997 nicht wirksam beendet worden ist.

Für die mit Schreiben vom 11.09.1997 ausgesprochene ordentliche Kündigung gemäß §§ 564 a, 564 b fehlt es an der Voraussetzung des § 564 b Abs. 2 Ziff. 1 BGB.

Selbst wenn man im vorliegenden Falle objektiv von einer Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagten sprechen könnte, fehlt es nach Überzeugung der Kammer an der Voraussetzung einer schuldhaften Verletzung derartiger Pflichten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen erster und zweiter Instanz steht zur Überzeugung der Kammer fest, daß die Beklagten eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen haben, um die von der Zeugin ... beklagten Lärmimmissionen zu beseitigen bzw. zu vermindern. So haben sie eine Stereoanlage aus der Wohnung entfernt, in den übrigen elektroakustischen Geräten Lautstärkenregler einbauen lassen und ein Gerät angeschafft, daß den Lärm schreiender Kinder bzw. Babys optisch anzeigt.

Die Beweisaufnahme hat auch keinen Nachweis dahingehend erbracht, daß die Beklagten ihre Kinder erzieherisch vernachlässigen und damit die Verursachung von Lärm durch die Kinder begünstigen würden.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in beiden Instanzen war der Kläger aber auch nicht berechtigt, daß Mietverhältnis mit Schreiben vom 22.09.1997 wegen anhaltend grober Störung des Hausfriedens fristlos zu kündigen, weil die Voraussetzungen für eine derartige Kündigung entsprechend den Vorschriften der §§ 626, 723, 242 BGB nicht vorlagen. Bei einer derartigen verschuldensunabhängigen Kündigung eines Mietverhältnisses sind strengere Anforderungen an den äußeren Tatbestand der Unzumutbarkeit zu stellen als dies bei einer Kündigung gemäß § 554 a BGB der Fall ist (vgl. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV, 529).

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat keinen Nachweis erbracht, daß von den Beklagten bzw. von deren Kindern in einem so starken Umfang Lärmbelästigungen für die übrigen Mieter des Hauses ausgehen, daß dem Kläger die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar ist.

Die einzige Mietpartei, die sich in dem 6-Parteien-Haus immer wieder über störenden Lärm aus der Wohnung der Familie ... beklagt hat, war die Zeugin ... Auf die Angaben dieser Zeugin hat das Erstgericht seine Entscheidung ganz wesentlich gestützt.

Die Kammer, die die Zeugin ... im Termin vom 22.12.1998 erneut vernommen hat, gelangte nicht zur Überzeugung, daß den Bekundungen dieser Zeugin uneingeschränkt gefolgt werden kann. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß diese Aussage mit erheblicher Vorsicht gewürdigt werden muß, da die Zeugin den Eindruck erweckte, in diesem Fall emotional sehr stark engagiert zu sein, so daß eine besondere subjektive Empfindlichkeit dieser Zeugin gegen etwaige Lärmquellen in der Wohnung der Beklagten nicht auszuschließen ist.

Auch die im Termin vom 22.12.1998 vernommenen Zeuginnen ... und ..., die eine Wohnung unmittelbar neben der der Beklagten bewohnen, gaben an, daß nach ihrem Eindruck die Zeugin ... stark übertreibe, was die Verursachung von Lärm durch die Familie der Beklagten betreffe. Die beiden Zeuginnen ... haben das Haus insgesamt als "hellhörig" bezeichnet und gaben ebenfalls übereinstimmend an, daß in dem Haus ein ganz normaler Bewohnerlärm herrsche.

Sowohl die Zeugin ..., als auch deren Tochter ... gaben bei ihrer Vernehmung weiter an, es gehe nach ihrem Eindruck kein übermäßiger Lärm von der Wohnung der Beklagten aus. Insbesondere werde kein störender Radio- oder Fernsehlärm wahrgenommen, obwohl die beiden Wohnzimmer nur durch eine 24 cm starke Wand getrennt seien.

Beide Zeuginnen bekundeten weiter, daß die Beschwerden der Zeugin ... über Lärm aus der Wohnung der Beklagten erst vor ca. 1 Jahr begonnen hätten. Au...

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