Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumungsvollstreckung: Vollstreckungsschutz wegen Abstandnahme des Vermieters von einem zeitweiligen Verzicht auf die Zwangsräumung
Orientierungssatz
Nimmt der Vermieter von seiner Zusage, die Zwangsräumung angesichts eines beantragten Darlehens des Mieters beim Sozialamt zeitweilig nicht zu betreiben, Abstand, weil es zwischen Mitmietern und dem Schuldner zu Spannungen gekommen ist, die dem Vermieter aber bereits vor Klageerhebung bekannt waren, so wiegt dieses Verhalten des Vermieters bei der Abwägung der Gläubiger- und Schuldnerinteressen so schwer, dass eine Räumungsvollstreckung zum gegenwärtigen Zeitpunkt untragbar erscheint und dem Mieter Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO zu gewähren ist.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 05.06.2003 - ... - abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts ... vom 27.12.2002 - ... - wird einstweilen bis zum 31.12.2003 eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
Gründe
I.
Die Gläubigerin ist mit dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts ... vom 27.12.2003 Inhaberin eines Räumungstitels gegen den Schuldner. Eine Räumungsfrist wurde nicht bestimmt. Gleichzeitig ist der Schuldner nach dem Versäumnisurteil verpflichtet, an die Gläubigerin € 840,64 nebst Zinsen zu zahlen. Die Gerichtsvollzieherin hat den Räumungstermin auf den 11.06.2003 bestimmt.
Am 27.05.2003 hat die gerichtlich bestellte Betreuerin des Schuldners, zu deren Aufgabenkreis unter anderem die Vertretung in Wohnungs- und Mietangelegenheiten sowie die Vertretung im Zwangsräumungsverfahren zählen, beim Amtsgericht die Gewährung von Räumungsschutz beantragt. Zur Begründung hat die Betreuerin ausgeführt, nach Erlass des Versäumnisurteils habe sie mit der Gläubigerin vereinbart, dass diese bis zum Ende des Jahres von einer Vollstreckung der Räumungspflicht absehen werde, damit dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet werde, sich rechtzeitig anderen Wohnraum zu verschaffen. Danach sei es - wie schon in der Zeit vor Klageerhebung - zu Beschwerden von Mitmietern aus dem Haus über den Schuldner gekommen, so dass die Gläubigerin dann doch die Räumung betrieben habe. Der Schuldner hätte zum 01.06.2003 zwar die Möglichkeit gehabt, eine neue Wohnung zu beziehen. Der Abschluss des Mietvertrages sei aber daran gescheitert, dass die Gläubigerin dem neuen Vermieter mitgeteilt habe, dass Mietschulden bestehen.
Die Gläubigerin hat vorgetragen, es sei in der vergangenen Zeit mehrfach zu Beschwerden von verschiedenen Mietern über den Schuldner gekommen. Die Hausordnung sei aber von allen Mietern und deren Besuchern einzuhalten.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 05.06.2003 mangels Vorliegen einer sittenwidrigen Härte zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Schuldner Bemühungen um neuen Wohnraum erst kurz vor der Räumung entfaltet habe und dass eine Vereinbarung über die Aussetzung des Räumungstermins nicht nachgewiesen sei.
Dagegen wendet sich der Schuldner durch seine gesetzliche Vertreterin mit der sofortigen Beschwerde vom 06.06.2003, mit der die Betreuerin nochmals ausführt, die Gläubigerin habe dem Schuldner bis spätestens zum Jahresende Zeit gegeben, neuen Wohnraum zu finden. Dazu legt sie ein Schreiben der Gläubigerin vom 31.01.2003 vor, in dem diese erklärt, auf Grund des vorgelegten Antrags auf ein Darlehen beim Sozialamt der Hansestadt Rostock werde sie die Räumung des Schuldners aussetzen. Es habe auch ein Gespräch mit Mitarbeitern der Gläubigerin gegeben, in dem diese zugesagt hätten, es bestehe bis Ende des Jahres Zeit, um eine neue Wohnung zu finden. Am 10.04.2003 habe ihr die Gläubigerin telefonisch mitgeteilt, dass Beschwerden anderer Mieter vorlägen. Daraufhin habe die Gläubigerin den Vollstreckungsauftrag erteilt. Die Suche nach einer neuen Wohnung gestalte sich wegen der Mieterbescheinigung der Gläubigerin vom 30.05.2003 schwierig.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 793, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Dem Schuldner war - wie geschehen - Vollstreckungsschutz gemäß § 765 a Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zu gewähren. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung war jedoch angesichts der vorgetragenen Absprache zwischen den Parteien bis zum Jahresende zu befristen.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil stellt gegenüber dem Schuldner eine unbillige, mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte gemäß § 765 a ZPO dar. Voraussetzung der Einstellung der Zwangsvollstreckung ist, dass die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine sittenwidrige Härte bedeutet. Als Ausnahmevorschrift ist § 765 a ZPO damit eng auszulegen. Härten, die jede Zwangsvollstreckung mit sich bringt, hat der Schuldner hinzunehmen. Daher begründet es in der Regel keine Härte im Sinne des § 765 a ZPO, das...