Verfahrensgang
AG Wismar (Urteil vom 07.11.2022; Aktenzeichen 8 C 368/20 WEG) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Wismar vom 07.11.2022, Az. 8 C 368/20 WEG, teilweise abgeändert:
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 18.08.2020 zu TOP 7.2 (Bestellung der … und Hausverwaltung), TOP 9 (Unterschriftsberechtigung Verwaltervollmacht) und TOP 10 (Unterschriftsberechtigung Verwaltungsvertrag) werden für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten erster Instanz haben die Beklagten nach Kopfteilen zu 84 % und die Klägerin zu 16 % zu tragen.
Die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Beklagten nach Kopfteilen zu 80 % zu tragen.
Die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Beklagten hat die Klägerin zu 16 % zu tragen.
Im übrigen tragen die Klägerin und die Beklagten ihre erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kosten der Berufung haben die Beklagten nach Kopfteilen zu 71 % und die Klägerin zu 29 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird in Abänderung der amtsgerichtlichen Festsetzung für den Rechtsstreit erster Instanz auf 3.100,12 EUR festgesetzt.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.306,30 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung ist zum Teil erfolgreich, im Übrigen zurückzuweisen.
1.
Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen die Beschlüsse zur Bestellung der neuen Verwalterin und die dazugehörigen Unterschriftsvollmachten bezieht.
a)
Insoweit sind die Beschlüsse nach dem „Hilfsantrag” der Klägerin für ungültig zu erklären, ohne dass über den „Hauptantrag” der Klägerin entschieden werden muss, mit dem sie die Feststellung begehrt, die Beschlüsse seien gar nicht (wirksam) gefasst worden. Die Anträge stehen nicht in einem eigentlichen Eventualverhältnis.
Es gelten insoweit dieselben Grundsätze wie im Verhältnis zwischen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage:
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 15. Oktober 2021 – V ZR 225/20 –, Rn. 21, juris m.w.N.) betreffen auf denselben Lebenssachverhalt gestützte Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe keine unterschiedlichen Streitgegenstände. Da der Streitgegenstand maßgeblich durch den Antrag mitbestimmt wird, führt dies dazu, dass sowohl mit einem auf Feststellung der Nichtigkeit als auch mit einem auf Ungültigkeitserklärung gerichteten Antrag jeweils das umfassende Rechtschutzziel zum Ausdruck gebracht wird, unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt eine verbindliche Klärung der Gültigkeit des zur Überprüfung gestellten Eigentümerbeschlusses herbeizuführen. Es kann daher auch etwa ohne Antragsumstellung die Nichtigkeit des Beschlusses ausgesprochen werden, obwohl der Antrag seinem Wortlaut nach (nur) darauf gerichtet war, den Beschluss für ungültig zu erklären. Wegen der Identität des Streitgegenstandes sind auch die Auswirkungen der Rechtskraft dieselben, gleichgültig, ob die Ungültigkeit des in Rede stehenden Beschlusses festgestellt oder durch Urteil ausgesprochen wird. Mit dem Eintritt der Rechtskraft steht in beiden Fällen fest, ob der Beschluss Rechtswirkungen entfaltet oder nicht. Abgesehen von den Fällen der Fristversäumung nach § 46 Abs. 1 WEG a.F. (nunmehr § 45 WEG) besteht dann aber auch keine Notwendigkeit, die mitunter nicht einfach zu beantwortende Frage nach der Einordnung als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund zu klären (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2009 – V ZR 235/08 –, BGHZ 182, 307-317, Rn. 20 – 21), also überhaupt zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit zu unterscheiden.
Dies lässt sich ohne weiteres auf das Verhältnis der vorliegenden Anträge zueinander übertragen. Sie haben denselben Lebenssachverhalt und das identische Rechtsschutzziel, unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt die Gültigkeit der betreffenden Beschlüsse zu klären und eine rechtskräftige Entscheidung darüber herbeizuführen, dass die aus dem Protokoll ersichtlichen (Schein-)Beschlüsse keine Rechtswirkungen entfalten. Ob die Beschlüsse überhaupt gefasst worden sind oder nur infolge wirksamer Anfechtung keine Wirkungen entfalten, kann danach dahinstehen.
b)
Die Beschlüsse zu TOP 7.2, 9 und 10 widersprechen insgesamt ordnungsgemäßer Verwaltung und sind deshalb für ungültig zu erklären.
Der Beschluss zu TOP 7 enthält über seinen Wortlaut hinaus bei sachgerechter Auslegung die Bestellung der neuen Verwalterin und die Annahme ihres – der Eigentümerversammlung vorliegenden – Angebots auf Abschluss eines Verwaltervertrags. Dem Angebotsschreiben der … vom 23.7.2020 hatte ein Blanko-Vertragsmuster beigelegen, der u.a. die Leistungen der Verwalterin und die Höhe der Vergütung beschreibt, allerdings keine Angaben zur Laufzeit enthält; das hierfür vorgesehene Feld ist nicht ausgefüllt. Auch das Übersendungsschreiben verhält sich nicht zur Vertragsdauer. Es hätte aber einer Regelung der Vertragsdauer b...