Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungssperre durch Energieversorger. Umfang des Kontrahierungszwangs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Versorgungssperre durch den Energieversorger ist keine verbotene Eigenmacht (§ 859 BGB), sie ist nicht besitz-, sondern sie ist vertragsrechtlich zu würdigen.

2. Der aus dem Energiewirtschaftsgesetz (§§ 36 Abs. 1 S. 1; 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG) ableitbare Kontrahierungszwang eines Energiegrundversorgungsunternehmens gibt dem Endverbraucher einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages, nicht aber eine Forderung auf Lieferung von Energie außerhalb einer vertraglichen Beziehung.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, §§ 858-859, 862; ZPO §§ 935, 940; EnWG § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1, §§ 20, 36 Abs. 1 S. 1; StromGVV § 19 Abs. 2

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 300,– Euro.

 

Tatbestand

A.

Die Antragstellerin ist Mieterin einer Wohnung in dem Hausanwesen … in ….

Der Eigentümer des Hausgrundstücks ist von der Antragsgegnerin aufgefordert worden, für die erbrachten Stromlieferungen der Antragsgegnerin einen Betrag von 2.100,– Euro zu zahlen.

Am 16.04.2009 hat die Antragsgegnerin die zuvor angekündigte Sperrung der Energiezufuhr zu dem Hausanwesen durchgeführt.

Die Antragstellerin hat unter dem Datum 16.04.2009 der Firma … einen Auftrag zur Stromversorgung für die Adresse … in … erteilt.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, die Antragsgegnerin sei nicht mehr berechtigt, an der Sperrung der Energieversorgung festzuhalten.

Sie hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Energiezufuhr zu dem Anwesen … in … wieder herzustellen.

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 21.04.2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und ausgeführt, die Antragstellerin habe keinen vertraglichen Anspruch gegen die Antragsgegnerin schlüssig vorgetragen und es bestehe auch kein Kontrahierungszwang aus Gründen der Daseinsfürsorge, da die Antragstellerin einen anderen Energieversorger ausgewählt habe.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 28.04.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie führt aus, sie könne von der Firma … keinen Strom beziehen, da die Mitarbeiter der Antragsgegnerin die Energiezufuhr auf dem Dach des Hausanwesens gekappt hätten.

Unter diesen Umständen bestehe für die Antragsgegnerin ein Kontrahierungszwang.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 29.04.2009 nicht abgeholfen.

Es hat ausgeführt, der Mietvertrag der Antragsgegnerin mit dem Hauseigentümer begründe unter dem Aspekt der Schutzwirkung zu Gunsten Dritter keine Ansprüche gegen den Energieversorger.

Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Stromversorgung gegen ihren Vermieter.

Die Beendigung der Energielieferung durch die Antragsgegnerin stelle auch keinen unzulässigen Eingriff in das Besitzrecht der Antragstellerin als Mieterin dar.

Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Antragstellerin unter dem Aspekt von Treu und Glauben sei ebenfalls nicht gegeben, da sie bereits einen anderen Energieversorger gewählt habe.

Es sei nicht glaubhaft, dass dieser Energieversorger nicht in der Lage sei, den Hausanschluss wieder herzustellen.

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

Die gemäß §§ 567 ff zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.

II.

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin den Erlass der beantragen einstweiligen Verfügung zu Recht versagt, weil bereits der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsanspruch (vgl. §§ 935, 940 ZPO) nicht gegeben ist und außerdem auch der notwendige Verfügungsgrund nicht nachvollziehbar dargestellt ist.

1. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch aus § 862 BGB auf Beseitigung einer Störung des Besitzes an ihrer Mietwohnung zu, weil die Sperrung der Energiezufuhr durch die Antragsgegnerin keine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB darstellt.

Der Besitz der Antragstellerin an ihrer Mietwohnung ist zwar gegen beeinträchtigende Eingriffe geschützt, er verleiht ihr jedoch nicht das Recht auf eine fortgesetzte Belieferung mit Versorgungsgütern, insbesondere dann nicht, wenn – wie vorliegend – die Antragstellerin die Leistungen des Versorgers nicht vergüten will. Die Versorgungssperre durch den Energieversorger ist keine verbotene Eigenmacht (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2009 – Az.: XII ZR 137/07), sie ist nicht besitz-, sondern sie ist vertragsrechtlich zu würdigen.

2. Auch aus dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnergiewirtschaftsgesetzEnWG) kann die Antragstellerin keinen Anspruch auf die beantragte Energiezufuhr herleiten.

Wenn man zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt, dass die Antragsgegnerin in dem betreffenden Netzgebiet die Stromgrundversorgung der Haushaltskunden durchführt, bestünde zu Lasten der Antragsgegnerin gemäß §§ 36 Abs. 1 S. ...

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