Leitsatz (amtlich)

1. Die Beantragung der Unterbrechung der Stromversorgung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zielt auf den Erlass einer Leistungsverfügung, da die Hauptsache vorweggenommen wird.

2. Der Zahlungsrückstand begründet nur dann einen Verfügungsgrund für den Erlass einer Leistungsverfügung, wenn dessen Höhe einen irreparablen Schaden begründet.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 251,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wird von der Antragstellerin in der Abnahmestelle ...-Straße in ...mit Strom versorgt. Der Antragstellerin stehen für bereits geleistete Versorgungslieferungen Zahlungsansprüche in Höhe von 251,00 Euro zu. Der monatliche Abschlag beträgt 45,00 Euro.

Mit Schreiben vom 17.07.2012 drohte die Antragstellerin unter gleichzeitiger Mahnung die Unterbrechung der Versorgung an. Am 16.08.2012 wurde der Antragsgegnerin die Unterbrechung der Versorgung für den 23.08.2012 angekündigt. Zum angekündigten Sperrtermin gewährte die Antragsgegnerin keinen Zugang.

Die Antragstellerin beantragt,

  • 1.

    der Antragsgegnerin aufzugeben, den mit einem Dienstausweis versehenen Beauftragten des ... Zutritt zu dem Anwesen und den von ihr bewohnten Räumlichkeiten ...-Straße zu gewähren und die Unterbrechung der Energieversorgung durch Sperrung des Stromzählers Nr. ... zu dulden,

  • 2.

    für den Fall der Zutrittsverweigerung und des Widerstandes gegen die Einstellung der Versorgung die zwangsweise Öffnung des Anwesens und der von der Antragsgegnerin bewohnten Räumlichkeiten ...-Straße durch den zuständigen Gerichtsvollzieher und die Durchführung der Liefersperre in Gegenwart und unter Aufsicht des zuständigen Gerichtsvollziehers anzuordnen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Verfügungsgrund aufgrund ihrer Vorleistungspflicht und den drohenden weiteren Zahlungsrückständen gegeben sei.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass die Antragstellerin Tatsachen glaubhaft macht, die einen Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940, 936, 920 ZPO begründen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die einen Verfügungsgrund für die beantragte (Leistungs-)Verfügung begründen.

Ob der Anspruch nach § 19 Abs. 2 StromGVV im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (dafür: AG Oldenburg, NJOZ 2010, 229 [230]; OLG Koblenz, B. v. 14.12.2004, 8 W 826/04, Tz. 3 ([...]); LG Braunschweig, B. v. 26.05.2003, 8 T 467/03; LG Koblenz, BeckRS 2009, 07156; LG Heilbronn, B. v. 20.03.1991, 2 T 57/91 ([...]); dagegen: AG Hamm, NZM 2005, 320; LG Potsdam, NZM 2009, 159; AG Ravensburg, Urt. v. 05.04.2002, 12 C 459/02, Tz. 2 ([...]); AG Merseburg, Urt. v. 23.05.2008, 6 C 128/08, Tz. 13 ([...])).

Nach Auffassung des Gerichts kann der Antrag der Antragstellerin nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Mit dem Antrag begehrt die Antragstellerin den Erlass einer Leistungsverfügung (unter 1.). Für den Erlass einer Leistungsverfügung sind besondere Anforderungen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu stellen (unter 2.). Diese besonderen Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt (unter 3.)

1.

Der Antrag der Antragstellerin ist auf den Erlass einer Leistungsverfügung (Befriedigungsverfügung) gerichtet. Die Leistungsverfügung ist eine besondere Form der einstweiligen Verfügung, die zu einer Befriedigung des Gläubigers und damit zur Vorwegnahme der Hauptsache führt (vgl. Huber, in: Musielak, ZPO, 9. Auflage (2012), § 940 Rn. 1; Vollkommer, in: Zöller, 29. Auflage (2012), § 935 Rn. 2; AG Merseburg, Urt. v. 23.05.2008, 6 C 128/08, Tz. 21 ([...])).

Die beantragte Verfügung der Antragstellerin führt zur vollständigen Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. LG Potsdam, Urt. v. 02.05.2008, 13 T 23/08, Tz. 20 ([...]); AG Merseburg, Urt. v. 23.05.2008, 6 C 128/0; AG Hamm, NZM 2005, 320). Auch in der Hauptsache wäre der prozessuale Anspruch auf die Gewährung von Zutritt zur Wohnung und Duldung der Unterbrechung gerichtet. Die Vollstreckung der einstweiligen Verfügung führt dauerhaft zur Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin aus § 19 Abs. 2 StromGVV. Die einmal herbeigeführte Wirkung der einstweiligen Verfügung endet nicht durch Zeitablauf oder durch andere von "selbst" eintretenden Umstände. Der durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung herbeigeführte Zustand dauert solange an, bis sich die Antragstellerin zur Wiederaufnahme der Versorgung entschließt oder hierzu gerichtlich verpflichtet wird. Die Wirkung der einstweiligen Verfügung entspricht damit der Wirkung eines im Hauptsacheverfahren ergangenen Urteils. Das Verfügungsverfahren würde das Ergebnis des ordentlichen Prozessverfahrens nicht lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum sichern, sondern dessen (möglichen)...

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