Verfahrensgang
AG Völklingen (Entscheidung vom 18.04.2002; Aktenzeichen 6 Cs 108/02) |
AG Völklingen (Entscheidung vom 11.03.2002) |
StA Saarbrücken (Aktenzeichen 36 Js 176/02) |
Tenor
1.
Der Beschluss des Amtsgerichts Völklingen vom 18.04.2002 wird
aufgehoben.
2.
Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Völklingen vom 11.03.2002 gewährt.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Völklingen erließ am 11.03.2002 gegen den Angeklagten Strafbefehl wegen Verdachts des Betruges. Dem Strafbefehl ist in dem verwendeten amtlichen Formular StP 16/16 b (SchA) MdJ - 01/2002 folgende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt:
"Gegen diesen Strafbefehl können Sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem unterzeichneten Gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen."
Der Strafbefehl wurde dem Angeklagten mit vorgenannter Belehrung am 13.03.2002 persönlich zugestellt.
Mittels eines auf den 20.03.2002 datierten Schreibens, das am 28.03.2002 bei dem Amtsgericht Völklingen eingegangen ist, legte der Angeklagte gegen den Strafbefehl Einspruch ein.
Das Amtsgericht verwarf den Einspruch gegen den Strafbefehl mit Beschluss vom 18.04.2002 als unzulässig. Dem Verwerfungsbeschluss ist folgende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt:
"Gegen den vorstehenden Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig. Die Beschwerde kann nur binnen einer Woche ab Zustellung dieses Beschlusses schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Völklingen eingelegt werden.
Bei schriftlicher Erklärung ist diese Frist nur dann gewahrt, wenn die Erklärung vor dem Ablauf der Frist bei dem Amtsgericht Völklingen eingeht."
Der Verwerfungsbeschluss wurde dem Angeklagten am 25.04.2002 durch Niederlegung zugestellt.
In seinem mit "Einspruch" überschriebenen Schreiben vom 27.04.2002, das bei dem Amtsgericht Völklingen am 30.04.2002 eingegangen ist, macht der Angeklagte geltend, er habe den Einspruch zeitgerecht eingeschickt. Laut Gesetz zähle der Poststempel.
II.
1.
Der Rechtsbehelf des Angeklagten ist als sofortige Beschwerde zu behandeln. Die falsche Bezeichnung des Rechtsbehelfs ist unschädlich (§ 300 StPO).
Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
2.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Zu Unrecht hat das Amtsgericht den Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl als verfristet verworfen.
Zwar hat der Angeklagte die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Strafbefehl, die am 27.03.2002 abgelaufen ist, versäumt, denn sein Einspruch ist erst am 28.03.2002 bei Gericht eingegangen.
Den Angeklagten trifft jedoch an der Fristversäumung nach der gesetzlichen Vermutung des § 44 S. 2 StPO kein Verschulden, denn die ihm in dem Strafbefehl erteilte Rechtsbehelfsbelehrung war fehlerhaft, nämlich unvollständig. Sie entspricht nicht den Anforderungen des § 35 a StPO.
Nach dieser Vorschrift muss eine Rechtsmittelbelehrung den Hinweis enthalten, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist bei Gericht eingegangen sein muss (Löwe-Rosenberg/Wendisch, StPO, 25. Auflage, § 45 Rdnr. 13; Kleinknecht/Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 45. Auflage, § 35 a Rdnr. 11; BGH St 8, 105; BVerwG, NJW 1970, 484; OLG Hamburg, GA 1963, 348; OLG Saarbrücken, NStZ 1986, 470). Dieser Hinweis fehlt in der dem Angeklagten erteilten Rechtsbehelfsbelehrung in dem amtlichen Formular zum Strafbefehl, während er in der von dem Amtsgericht zu dem Beschluss vom 18.04.2002 erteilten Rechtsbehelfsbelehrung enthalten ist.
Ein entsprechender Zusatz in der Rechtsbehelfsbelehrung zum Strafbefehl ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil dem Wortlaut der Belehrung ohnehin der Hinweis auf das Eingangserfordemis zu entnehmen wäre oder der Wortlaut zumindest in diesem Sinne ausgelegt werden könne. Mit der Formulierung "... können Sie ... bei dem unterzeichneten Gericht ... Einspruch einlegen" wird der Empfänger der Belehrung darauf hingewiesen, wo der förmliche Rechtsbehelf anzubringen ist.
Bei Rechtsmitteln, die im Unterschied zu den (förmlichen) Rechtsbehelfen Devolutiveffekt entfalten, wird dem Empfänger einer Belehrung mit vergleichbarem Wortlaut verdeutlicht, dass das Rechtsmittel bei dem "judex a quo" statt bei dem "judex ad quem" einzulegen ist.
Mit den die örtliche und sachliche Zuständigkeiten kennzeichnenden Worten "bei dem Gericht" wird nicht zugleich das zeitliche Erfordernis des Eingangs bei Gericht spätestens am letzten Tag der Frist verdeutlicht.
Zwar stimmen für die Einlegung des Rechtsbehelfs zu Protokoll der Geschäftsstelle das örtlich-sachliche Kriterium und das zeitliche überein, denn die Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle erfordert regelmäßig die Anwesenheit des Antragstellers bei Gericht.
Für die Möglichkeit der schriftlichen Einlegung des Rechtsbehelfs is...