Entscheidungsstichwort (Thema)
Nießbrauch bei Grundstücksbruchteilen. Aufhebungsanspruch gem. § 1066 Abs. 2 BGB. Zwangsversteigerung. Mitwirkungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Nießbrauch nicht auf dem gesamten Grundstück, sondern nur auf Grundstücksbruchteilen lastet, kann gemäß § 1066 Abs. 2 BGB die Aufhebung der Gemeinschaft nur von dem Miteigentümer und dem Nießbraucher gemeinschaftlich verlangt werden.
2. Dieses gemeinsame Antragserfordernis besteht auch für die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft der Grundstückseigentümer. Die bloße Zustimmung des Nießbrauchers reicht nicht aus.
3. Für den Fall, dass entweder der Nießbraucher oder der Miteigentümer seine Mitwirkung bei der Antragstellung verweigert, kann der andere Teil Klage auf Mitwirkung erheben.
Normenkette
BGB §§ 749, 1066 Abs. 2-3; ZVG §§ 92, 121
Verfahrensgang
AG St. Wendel (Beschluss vom 28.05.2009) |
AG St. Wendel (Beschluss vom 14.01.2009) |
Tenor
1. Unter Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts St. Wendel vom 28.05.2009 und vom 14.01.2009 wird der Antrag der Antragstellerin vom 13.01.2009 auf Anordnung der Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 41.250,– Euro.
4. Der Beschwerdeführerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, bewilligt.
Tatbestand
A.
Das Amtsgericht St. Wendel hat auf den Antrag vom 13.01.2009 durch Beschluss vom 14.01.2009 die Zwangsversteigerung des im Grundbuch von …, Blatt …, lfd. Nr. …, Flur …, Flurstück … eingetragenen Grundbesitzes zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft angeordnet.
Als Eigentümer des Grundstücks sind im Grundbuch eingetragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu jeweils ¼ und die aus der Antragstellerin und den beiden Antragsgegnerinnen bestehende Erbengemeinschaft zu ½.
In Abteilung II Nr. 1 ist für Frau … geb. … ein Nießbrauch an den je ¼-Anteilen sowie an den Erbanteilen der Antragstellerin und der Beschwerdeführerin eingetragen.
Die Antragsgegnerin zu 2) hat gegen den Anordnungsbeschluss des Amtsgerichts St. Wendel vom 14.01.2009 Vollstreckungserinnerung mit der Begründung eingelegt, der Antrag auf Teilungsversteigerung sei ohne die Zustimmung der Nießbraucherin mangels Antragsberechtigung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts verteidigt.
Das Amtsgericht – Richterin – hat durch Beschluss vom 28.05.2009 die Erinnerung der Antragsgegnerin zu 2) zurückgewiesen und ausgeführt, die Mitbeantragung der Teilungsversteigerung durch die Inhaberin des Nießbrauchs sei nur dann erforderlich, wenn der Nießbrauch durch die Aufhebung der Gemeinschaft erlöschen würde. Das Nießbrauchsrecht gehe durch die Teilungsversteigerung jedoch nicht unter, es sei vielmehr in das geringste Gebot aufzunehmen.
Gegen diesen am 03.06.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin zu 2) am 08.06.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie ist der Auffassung, durch die Teilungsversteigerung erlösche das Nießbrauchrecht. Deshalb müsse der ohne die Zustimmung der Nießbraucherin gestellte Antrag auf Durchführung der Teilungsversteigerung zurückgewiesen werden.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie der erkennenden Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
B.
I.
Die gemäß §§ 793, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie des Anordnungsbeschlusses des Amtsgerichts zur Abweisung des Teilungsversteigerungsantrages.
II.
Der Teilungsversteigerungsantrag vom 13.01.2009 ist mangels Zustimmung der Inhaberin des Nießbrauchs unzulässig, so dass er zurückzuweisen ist.
1) Da der Nießbrauch nicht auf dem gesamten Grundstück lastet, sondern nur an den Anteilen der Antragstellerin und der Beschwerdeführerin besteht, kann gemäß § 1066 Abs. 2 BGB die Aufhebung der Gemeinschaft nur von dem Miteigentümer und dem Nießbraucher gemeinschaftlich verlangt werden.
2) Das Amtsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass der Zweck des in § 1066 Abs. 2 BGB geregelten Mitwirkungserfordernisses des Nießbrauchers bei der Aufhebung der Gemeinschaft der Miteigentümer darin besteht, den Nießbraucher vor einem unfreiwilligen Verlust seiner Rechtsposition zu bewahren (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 07.03.2002 – Az.: V ZB 24/01 –, zitiert nach juris, Rdnr. 19, NJW 2002, 1647 – 1651; Steiner/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Auflage, § 180 ZVG, Rdnr. 112). Dieser Schutz des Nießbrauchers wird durch dessen in § 1066 Abs. 2 BGB angeordnete dingliche Mitberechtigung (vgl. dazu Staudinger/Frank, BGB, 2009, § 1066, Rdnr. 8) verwirklicht, die den in § 749 BGB geregelten Aufhebungsanspruch der Teilhaber der Grundstückseigentümergemeinschaft modifiziert (vgl. dazu Münchener Kommentar/Pohlmann, 4. Auflage 2004, § 1066 BGB, Rdnr...