Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenrecht. Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 vor Nr. 3100 VV RVG bei der Kostenfestsetzung vorzunehmende Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr, führt nicht zu einer Reduzierung der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr, sondern zu einer Verringerung der in dem Gerichtsverfahren angefallenen Verfahrensgebühr.

2. Für die Anrechnung ist es ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage von dem Prozessgegner zu erstatten ist, ob sie unstreitig ist, ob sie in dem jeweiligen Rechtsstreit geltend gemacht ist oder bereits tituliert oder beglichen ist.

3. Die Erhöhungen sowohl der Verfahrensgebühr als auch der Geschäftsgebühr um 0,3 für jede weitere von dem Rechtsanwalt vertretene Person (vgl. Nr. 1008 VV RVG) ändern nichts daran, dass durch die Anrechnung der Geschäftsgebühr, die Verfahrensgebühr höchstens mit dem Gebührensatz von 0,75 zu kürzen ist.

 

Normenkette

ZPO § 91; RVG § 13 Abs. 1; Vorbemerkung 3 Abs. 4 vor Nr. 3100 VV RVG

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 15.07.2008; Aktenzeichen 5 C 1081/07)

 

Tenor

1. In Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken vom 15.07.2008 (5 C 1081/07) werden die nach dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 18.03.2008 von den Klägern zu je ½ an die Beklagten als Gesamtberechtigte zu erstattenden Kosten festgesetzt auf 796,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2008.

Der darüber hinaus gehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 21.04.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Kopfteilen.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf bis zu 300,– Euro.

 

Tatbestand

A.

Die Kläger haben die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.900,– Euro verklagt.

Das Amtsgericht Saarbrücken hat durch sein am 18.03.2008 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen und den Klägern die Kosten des Rechtsstreits zu je 50 % auferlegt.

Auf den am 23.04.2008 beim Amtsgericht eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 21.04.2008 hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.07.2008 die von den Klägern zu je ½ an die Beklagten als Gesamtberechtigte zu erstattenden Kosten festgesetzt auf 1.015,07 Euro nebst Zinsen.

Gegen diesen am 24.07.2008 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 04.08.2008 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Kläger vertreten die Auffassung, im Kostenfestsetzungsverfahren könne nur der nicht auf die außergerichtlich bereits entstandene Geschäftsgebühr anzurechnende Teil der Verfahrensgebühr berücksichtigt werden. Deshalb hätte nur eine 0,65 Verfahrensgebühr – ausgehend von einer außergerichtlichen Geschäftsgebühr von 1,3 wegen der vorgerichtlichen Befassung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum Beispiel durch Schriftsatz vom 26.09.2007 – berücksichtigt werden dürfen.

Die Beklagten beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tragen vor, die außergerichtlichen Gebühren seien nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens und deshalb bei der Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie der erkennenden Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

Die sofortige Beschwerde der Kläger ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,– Euro (§ 567 Abs. 2 ZPO) und die Beschwerdefrist (§ 569 ZPO) ist gewahrt.

II.

Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur entsprechenden Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts.

1. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 vor Nr. 3100 VVRVG wird die nach den Nummern 2300 – 2303 wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH FamRZ 2009, 225; BGH NJW 2007, 3500; BGH NJW 2007, 2049), der sich die erkennende Beschwerdekammer angeschlossen hat, führt diese Anrechnung nicht zu einer Reduzierung der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr, sondern zu einer Verringerung der in dem Gerichtsverfahren angefallenen Verfahrensgebühr.

3. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen, unter welchen die Anrechnung stattzufinden hat, bestand über längere Zeit Unklarheit.

Die erkennende Kammer hatte sich ursprünglich der von mehreren Oberlandesgerichten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 16.01.2008 – Az.: 2 B 8/08 – zitiert nach juris, Rdnr. 9; OLG Karlsruhe, JurBüro 2007, 635; OLG München, Rechtspfleger 2007, 686; OLG Koblenz, JurBüro 2007, 636; OLG Rostock, AGS 2008, 46; OLG Hamm, AGS 2008, 47; Schleswig Holsteinisches OLG, AGS 2008, 42; KG Berlin, JurBüro 2007, 582; anderer Ansicht: OLG Nürnberg, AGS 20...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?