Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Schadensminderungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB kann in der Regel nicht angenommen werden, wenn der Geschädigte eines Verkehrsunfalls zunächst einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt und sich dadurch die Einholung eines Schadensgutachtens verzögert.
Normenkette
BGB § 254 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Urteil vom 03.02.2011; Aktenzeichen 120 C 110/10 (05)) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 03.02.2011 – 120 C 110/10 (05) – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 22.06.2009 in … ereignet hat und für den die Beklagten einstandspflichtig sind.
Bei dem Unfall wurde das geleaste Fahrzeug des Klägers beschädigt. Der Kläger setzte sich noch am Unfalltag mit seinen Prozessbevollmächtigten in Verbindung. Dabei wurde ein Termin zur Besprechung vereinbart. Nach diesem Besprechungstermin gab der Kläger ein Schadensgutachten in Auftrag, das am 30.06.2009 fertig gestellt und seinen Prozessbevollmächtigten am darauffolgenden Tag zur Verfügung gestellt wurde. Nach einer erneuten Rücksprache mit seinen Prozessbevollmächtigten erteilte der Kläger am 07.07.2009 den Auftrag zur Reparatur. Die Reparatur wurde am 04.08.2009 abgeschlossen und das Fahrzeug an den Kläger übergeben. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 4.801,11 EUR. Die Beklagten haben den Schaden des Klägers bis auf einen Teil der von ihm geltend gemachten Nutzungsausfallentschädigung sowie einen Betrag von 44,98 EUR aus der Reparaturrechnung betreffend Reinigungskosten reguliert.
Der Kläger hat erstinstanzlich eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 42 Tagen × 35,– EUR abzüglich der bereits von den Beklagten erbrachten Zahlung in Höhe von 280,– EUR sowie die Kosten für Reinigungsarbeiten (44,98 EUR), mithin insgesamt 1.234,98 EUR nebst außergerichtlichen Anwaltskosten von 61,88 EUR sowie Verzugszinsen geltend gemacht.
Er hat behauptet, die unfallbedingte Reparatur seines Fahrzeuges habe so lange gedauert, da sich die Lieferung der dafür benötigten Seitenscheiben verzögert habe. Im Übrigen habe er zunächst einen Anwalt einschalten dürfen. Wenn dieser nicht sofort einen Termin vergeben könne, könne dies nicht zu seinen Lasten gehen. Die Kosten für die Reinigung seien zur Behebung des Unfallschadens an seinem Fahrzeug erforderlich gewesen, da sie im Zuge der Lackierung angefallen seien.
Die Beklagten haben eingewandt, die Reinigungskosten gehörten nicht zum ersatzfähigen Schaden. Eine über die im Schadensgutachten angegebene Reparaturdauer von 8 Tagen hinausgehende Nutzungsausfallentschädigung sei ebenfalls nicht geschuldet, weil der Reparaturauftrag erst am 07.07.2009 und damit verspätet erteilt worden sei. Es sei zumindest nicht nachgewiesen, dass die Seitenscheiben auch dann nicht lieferbar gewesen wären, wenn der Kläger zeitnah und unmittelbar nach der Besichtigung durch den Gutachter einen Reparaturauftrag erteilt hätte.
Mit Beschluss vom 16.09.2010 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass wegen der Reinigungskosten ein Gutachten eingeholt werden müsse. Darauf könne nur verzichtet werden, wenn die Parteien sich einigen, diese Schadensposition zu teilen. Mit Schriftsatz vom 28.09.2010 haben die klägerischen Prozessbevollmächtigten erklärt, dass sie mit der vom Gericht vorgeschlagenen hälftigen Teilung der Reinigungskosten einverstanden seien. Die Beklagtenvertreter haben durch Schriftsatz vom 08.10.2010 mitgeteilt, dass die Beklagtenseite der Auffassung sei, bereits dem Grunde nach keine weiteren Ansprüche aus dem Schadensereignis mehr leisten zu müssen. Sollte die weitere Beweiserhebung ergeben, dass ein weiterer Anspruch tatsächlich gegeben wäre, so könnte der Höhe nach entsprechend verfahren und eine Teilung der Kosten vorgenommen werden. Dies betreffe nur die Höhe, nicht auch den Grund.
Das Amtsgericht hat die Beklagten nach Durchführung einer Beweisaufnahme gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 932,49 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 24.10.2009 verurteilt. Es ist davon ausgegangen, dass sich die Parteien hinsichtlich der Reinigungskosten auf die Hälfte des eingeklagten Betrages geeinigt haben, so dass insoweit eine Beweisaufnahme nicht mehr erforderlich gewesen sei. Dem Kläger stehe darüber hinaus ein Anspruch auf 34 Tage Nutzungsausfall zu. Es sei der Beweis erbracht, dass es bei der Lieferung der Seitenscheiben zu Verzögerungen gekommen sei, die der Kläger nicht zu vertreten habe. Er müsse jedoch für eine Verzögerung von 8 Tagen einstehen, weil zwischen Gutachtenerstattung und der Entscheidung über die Reparatur ein Zeitraum von 16 Tagen gelegen habe, obwohl hierfür 8 Tage ausgereicht hätten. Der Informationsaustausch mit dem Sachverständigen und dem Rechtsanwalt hätte auc...