Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsverteilung. PKW-Unfall
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Haftungsverteilung bei einer Kollision zwischen einem auf einem Privatweg rückwärts fahrenden und einem aus einer Hofeinfahrt im spitzen Winkel hierzu rückwärts auf den Privatweg einfahrenden PKW.
Normenkette
BGB § 276; StVO §§ 1, 9 Abs. 5, § 10; StVG § 7 Abs. 2, § 17; VVG § 115
Verfahrensgang
AG Merzig (Urteil vom 14.10.2009; Aktenzeichen 13 C 85/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Merzig – Zweigstelle Wadern vom 14.10.2009 (13 C 85/08) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten restliche 50% ihres Schadens in Höhe von (1.895,04 EUR × 50% =) 947,52 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 74,25 EUR jeweils nebst gesetzlichen Zinsen aus einem Verkehrsunfall verlangt, der sich am 21.1.2008 auf der gemeinsamen Zufahrt zu ihren beiden Hausanwesen ereignet hat. Bei der gemeinsamen Zufahrt handelt es sich um einen Privatweg, der nur zu dem vorderen, seitlich neben dem Weg liegenden Grundstück der Klägerin und dem am Ende des Weges liegenden Grundstück der Beklagten führt. Zu dem Unfall kam es, als die Klägerin mit ihrem PKW (…) aus der Hofeinfahrt ihres Anwesens rückwärts auf den Privatweg fuhr und hierbei mit dem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW der Erstbeklagten (…), die ebenfalls von ihrem Anwesen aus rückwärts auf dem Weg fuhr, kollidierte.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei langsam aus ihrer Einfahrt ausgefahren und habe sich rückwärtig vergewissert, dass die Ausfahrt frei war. Beim Rückwärtsfahren habe sie die ebenfalls rückwärts fahrende Erstbeklagte kommen sehen, ihr Fahrzeug sofort angehalten und gehupt, um die Erstbeklagte auf ihr Fahrzeug aufmerksam zu machen. Diese sei dennoch weiter rückwärts gefahren und auf das stehende Fahrzeug der Klägerin aufgefahren.
Die Beklagten, die vorgerichtlich den Schaden auf der Grundlage einer hälftigen Haftung reguliert hatten, haben behauptet, die Erstbeklagte sei unter ständiger Beobachtung des hinter ihr liegenden Verkehrsraumes mit Hilfe der Spiegel zurückgefahren, als die Klägerin von links rückwärts aus spitzem Winkel in den Privatweg eingefahren sei.
Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten hafteten lediglich in hälftiger Höhe, weil beide Fahrzeugführer verkehrswidrig gehandelt hätten. Zwar habe die Erstbeklagte gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen, indem sie rückwärts gegen das stehende Fahrzeug der Klägerin gefahren sei. Aber auch die Klägerin sei gem. § 9 Abs. 5 StVO zu höchstmöglicher Sorgfalt verpflichtet gewesen und hätte sich mit Blick auf die nur eingeschränkte Sicht in den Privatweg einweisen lassen müssen, was sie unterlassen hätte.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Sie meint, der Privatweg sei kein öffentlicher Verkehrsraum, so dass die StVO schon nicht zur Anwendung komme. Im Übrigen sei ein Verschulden der Klägerin nicht festzustellen, da diese im Anstoßzeitpunkt gestanden habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig aber nicht begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend.
1. Mit Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Parteien grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und er für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Soweit die Klägerin demgegenüber meint, für sie sei der Unfall unabwendbar gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Ein solches unabwendbares Ereignis setzt voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußersten möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus (vgl. zu § 7 Abs. 2 StVG a.F.: BGHZ 117, 337, VersR 1987, 158, 159 m.w.N.; BGHZ 113, 164, 165). Dass die Klägerin indes derart sorgfältig gehandelt hätte, ist nicht erwiesen. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, zumindest aber nicht beweisen können, dass sie sich in die unübersichtliche Ausfahrt äußerst sorgfältig und unter Hinzuziehung eines Einweisers hineingetastet oder bei Erkennen des Beklagtenfahrzeuges Warnzeichen gegeben hätte. Da sie für das Vorliegen eines für sie unabwendbaren Ereignisses darlegungs- und beweispflichtig ist, geht dies zu ihren Lasten.
2. Im Rahmen der daher gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Unfallbeteiligten hat d...