Entscheidungsstichwort (Thema)

Unverwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens im Mieterhöhungsprozeß

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Im Zustimmungsprozeß zur Mieterhöhung darf das Gericht ein zum Beweis der ortsüblichen Vergleichsmiete eingeholtes Sachverständigengutachten nicht verwerten, in dem die Befundtatsachen nicht offengelegt sind (vergleiche BVerfG, 1994-10-11, 1 BvR 1398/93, WuM 1994, 661). Die Annahme des Gerichts, der Sachverständige habe die ortsübliche Miete aufgrund seiner großen Berufserfahrung und Kenntnis des örtlichen und regionalen Wohnungsmarktes sorgfältig ermittelt, ersetzt keine nachvollziehbare Feststellung eines repräsentativen Mietenquerschnitts.

 

Gründe

(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Das amtsgerichtliche Verfahren leidet an einem erheblichen Verfahrensverstoß im Sinne des § 539 ZPO und kann deshalb nicht die Grundlage für die angefochtene Entscheidung bieten, weshalb das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das AG (Neunkirchen) zurückzuverweisen war.

Der Verfahrensverstoß ist darin begründet, daß das AG ein Gutachten zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, das, wie näher auszuführen sein wird, nicht verwertbar ist, ohne zu prüfen, ob der Sachverständige von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist. Das AG hat insbesondere die Anforderungen, die an ein gerichtliches Beweisgutachten im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 MHG zur Ermittlung der ortsüblichen Miete zu stellen sind, nicht zutreffend erkannt. Nach ständiger Rechtsprechung sind an ein derartiges Gutachten hohe Anforderungen zu stellen. So muß dieses Gutachten einen repräsentativen Querschnitt der Alt- und Neubaumieten der letzten drei Jahre aufweisen (LG Saarbrücken, Urt. v. 22. 4. 1994 - 13 BS 287/93 -; RE BayObLG NJW 1981, 1219 (=WM 1981, 100);WM 1992, 677; LG Göttingen WM 1989, 520). Eine den Anforderungen entsprechende Begutachtung erfordert insbesondere, daß der Sachverständige durch Benennung der von ihm herangezogenen Wohnungen nachvollziehbar darlegt, ob die Höhe der geforderten Miete das übliche Entgelt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 MHG nicht übersteigt. Dabei muß der Sachverständige die herangezogenen Vergleichswohnungen nach den gesetzlichen Wohnwertmerkmalen genau beschreiben, wobei auf eine Offenlegung von Mietpreis und Adresse von Vergleichswohnungen oder sonstiger Angaben über deren Beschaffenheit in der Regel nicht verzichtet werden kann, soweit deren Kenntnis für die Überprüfung des Gutachtens praktisch unentbehrlich ist (Sternel aktuell, 3. Aufl., 1996, Rn. 632;LG Göttingen a.a.O.; BVerfG NJW 1995, 40 (= WM 1994, 661)). Die hiergegen aus Datenschutzgründen erhobenen Bedenken müssen hinter der Prüfungspflicht des Gerichts und dem Anspruch der Parteien auf Gehör zu den Entscheidungsgrundlagen zurücktreten, sofern es sich nicht um Daten aus der engsten Privat- und Intimsphäre handelt, was bezüglich der gezahlten Mieten zu verneinen ist (Sternel aktuell a.a.O.; BVerfG NJW 1995, 40 (=WM 1994, 661)). Das von der Vorinstanz eingeholte Gutachten erfüllt bei weitem nicht diese Anforderungen. Das Gutachten des Sachverständigen erschöpft sich hinsichtlich der hier interessierenden Beweisfrage in folgender Feststellung:

"Im Bereich Neunkirchen ist ein Quadratmeterpreis von zirka 8,- DM für Dachgeschoßwohnungen mit normalem Ausbau angemessen. Aufgrund der permanenten Mängel, wie das fehlende Podest vor der Wohnungsabschlußtür von mindestens 1 m Länge und dem Dachaufstieg über dem Flur mit dem Kaltlufteinfall, ist eine Quadratmetermiete von 7,80 DM/qm angebracht. Miete kalt somit ohne Baumängel 87,04 qm mal DM 7,80 = zirka DM 679,-. Die gewünschte Miete von 627,12 DM ist angemessen."

Hierbei läßt der Sachverständige völlig offen, woher er den Schluß zieht, daß im Bereich Neunkirchen ein Quadratmeterpreis von 8,- DM für Dachgeschoßwohnungen mit normalem Ausbau angemessen ist. Insoweit fehlt jegliche nachvollziehbare Feststellung eines repräsentativen Mietenquerschnitts für die letzten drei Jahre vom Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens zurückgerechnet. Daß der Sachverständige, wie das AG angenommen hat, die ortsübliche Miete aufgrund seiner großen Berufserfahrung und Kenntnis des örtlichen und regionalen Wohnungsmarktes sorgfältig ermittelt habe, reicht nicht aus, um den oben dargestellten strengen Anforderungen, die an ein solches Beweisgutachten zu stellen sind, zu genügen. Insbesondere fehlt jegliche nachvollziehbare Einordnung der streitgegenständlichen Wohnung in das örtliche Mietpreisgefüge durch den Sachverständigen, die unter Beachtung der in § 2 Abs. 1 Nr. 2 MHG aufgestellten Voraussetzungen zu erfolgen hat.

Somit hat das AG ein praktisch wertloses Gutachten zur Entscheidungsgrundlage gemacht, womit es gegen die Verpflichtung verstoßen hat, kritisch zu prüfen, ob der Sachverständige von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (Baumbach-Hartmann, Zivilprozeßordnung, 54. Aufl., 1996, § 286 Rn. 58;BGHNJW 1994, 2899). Nach der Rech...

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