Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer telefonischen Vernehmung von Zeugen im Einvernehmen mit den Parteien

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Grenzen der Zulässigkeit einer telefonischen Vernehmung von Zeugen im Einvernehmen mit den Parteien gemäß § 284 Satz 2 ZPO und zu der Frage, inwieweit die Parteien über die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme disponieren können.

 

Normenkette

ZPO § 284 S. 2, §§ 286, 355, 538 Abs. 2 Nr. 1; StVO §§ 3, 5 Abs. 3 Nr. 1, §§ 6, 9-10

 

Verfahrensgang

AG St. Wendel (Urteil vom 06.01.2009; Aktenzeichen 4 C 578/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Drittwiderbeklagten werden die Urteile des Amtsgerichts St. Wendel vom 6.1.2009 – 4 C 787/08 und 4 C 578/08 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien machen wechselseitig Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am … in der … in … ereignete. Der Erstbeklagte bog mit einem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Taxi nach rechts in die … ein. Dort kam es zur Kollision mit dem in gleicher Richtung losfahrenden, von der Drittwiderbeklagten zu 1) geführten Pkw, der bei der Drittwiderbeklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Die Klägerin behauptet, die Drittwiderbeklagte zu 1) sei nach rechts in die … abgebogen. Unmittelbar danach habe sie anhalten müssen, weil vor ihr ein Fahrzeug Personen aussteigen gelassen habe. Sie habe den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und sich zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet, sei jedoch zunächst nicht vorbeigefahren, weil in einer Parkbucht auf der linken Seite ein Fahrzeug rangiert habe. Als das Rangiermanöver beendet gewesen sei, habe sie in den Rückspiegel und über ihre Schulter geschaut und sei, nachdem sie kein Fahrzeug gesehen habe, langsam nach links gefahren, wobei es zur Kollision gekommen sei. Der Erstbeklagte sei mit einer Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h um die Kurve gefahren.

Erstinstanzlich hat die Klägerin Reparaturkosten (1.868,57 EUR) sowie eine Unkostenpauschale (25,56 EUR) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat der Erstbeklagte zuletzt Reparaturkosten (3.301,41 EUR), Wertminderung (600,00 EUR), Sachverständigenkosten (netto 544,00 EUR) und eine Unkostenpauschale (25,00 EUR) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abzüglich nach Klageerhebung gezahlter 2.140,67 EUR, also den noch nicht regulierten hälftigen Schaden geltend gemacht.

Die Widerbeklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, das Fahrzeug der Klägerin habe bereits einige Minuten lang am Fahrbahnrand gestanden. Die Drittwiderbeklagte zu 1) sei von dort angefahren, ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen. Der Erstbeklagte sei mit Schrittgeschwindigkeit gefahren. Er habe sich bereits mehr als auf gleicher Höhe neben dem Fahrzeug der Drittwiderbeklagten zu 1) befunden, als es zur Kollision gekommen sei. Der Schaden der Klägerin belaufe sich nur auf 940,38 EUR.

In dem Verfahren 4 C 787/08 hat das Erstgericht im Einvernehmen mit den Parteien die Akte 4 C 578/08 zur Verwertung der durchgeführten Beweisaufnahme beigezogen und die Drittwiderbeklagte zu 1) als Zeugin vernommen. Ferner hat es den Zeugen … und die Zeugin … im Einvernehmen mit den Parteien telefonisch vernommen. Daraufhin hat es die Beklagten zur Zahlung von 1/3 des klägerischen Schadens (631,38 EUR nebst Zinsen und anteiligen Anwaltskosten) verurteilt. In dem Verfahren 4 C 578/08 hat es die Bußgeldakte beigezogen und die Zeugen … und … vernommen. Ferner hat es die Zeugin … telefonisch vernommen. Daraufhin hat es die Widerbeklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 2/3 des dem Erstbeklagten entstandenen Schadens (839,60 EUR zzgl. Zinsen und anteiliger Anwaltskosten) verurteilt. Zur Begründung hat es in beiden Verfahren im Wesentlichen ausgeführt, es sei ungeklärt, ob die Drittwiderbeklagte zu 1) den Blinker gesetzt habe und ob sich ihr Fahrzeug teilweise auf dem Bürgersteig, voll umfänglich auf der Fahrbahn oder gar zur Fahrbahnmitte hin orientiert befunden habe. Es stehe lediglich fest, dass der Überholvorgang relativ weit fortgeschritten gewesen sei, als sie angefahren sei. Sei der Überholvorgang relativ weit fortgeschritten, treffe den Ausscherenden ein höherer Haftungsanteil als den bereits im Überholvorgang Befindlichen.

Mit ihrer Berufung in der Sache 4 C 787/08 verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit ihr weniger als 2/3 ihres Schadens zugesprochen wurde. Mit ihren Berufungen in der Sache 4 C 578/08 verfolgen die Widerbeklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Sie beanstanden, das Amtsgericht habe im Rahmen der Beweiswürdigung die Aussagen der Drittwiderbeklagten zu 1) und des Zeugen … unrichtig gewürdigt. Das Erstgericht habe verkannt, dass für den Erstbeklagten eine unklare Verkehrslage bestanden habe. Zu Unrecht habe es nicht festgestellt, dass de...

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