Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenverkehrsrecht. Sorgfaltspflichten beim Einsteigen u. Einfahren auf einem öffentlichen Parkplatz
Leitsatz (amtlich)
1. Anders als auf privaten Parkflächen, auf denen kein besonderer Fahrverkehr zu erwarten ist, hat der Ein- und Aussteigende auf öffentlichen Parkplätzen in sinngemäßer Anwendung des § 14 StVO besondere Vorsicht und Sorgfalt walten zu lassen. Ähnlich wie im fließenden Verkehr schafft auch hier das Öffnen der Tür ein plötzliches Hindernis im zuvor freien Verkehrsraum und erweist sich damit als besonders gefährlich für die übrigen Verkehrsteilnehmer.
2. Derjenige, der auf einem öffentlichen Parkplatz in eine freie Parktasche einfährt, muss damit rechnen, dass daneben abgestellte Fahrzeuge noch mit Insassen besetzt sind, solange er sich nicht hinreichend vom Gegenteil überzeugen konnte. Er muss sich daher auf ein Türöffnen des Nachbarfahrzeuges einstellen und darf nicht darauf vertrauen, dass sich dessen Insassen verkehrsgerecht verhalten.
Normenkette
BGB §§ 286, 288; StVG § 7 Abs. 2, §§ 17-18; StVO §§ 1, 14; PflVG § 3 Nr. 1; ZPO §§ 286, 529 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Völklingen (Urteil vom 19.11.2008; Aktenzeichen 5C C 46/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts Völklingen vom 19.11.2008 – 5C C 46/08 – teilweise abgeändert und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 581,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2007 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 83,54 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die erstinstanzlichen Kosten werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen der Kläger allein zu 36 %, der Kläger und die ehemaligen Widerbeklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 28 % und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 36 %. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 36 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger zu 50 %. Im Übrigen findet eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz nicht statt.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 13.9.2007 auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes in … ereignete. Die Ehefrau des Klägers, die erstinstanzlich noch Widerbeklagte zu 2), fuhr mit dessen PKW in eine freie Parktasche ein und öffnete zum Aussteigen die Fahrertür, als der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW in die links daneben liegende, freie Parktasche einfahren wollte und dabei mit der Fahrzeugfront gegen die 40 bis 50 cm weit geöffnete Fahrertür stieß. Dem Kläger entstand hierdurch ein Sachschaden von 1.744,93 EUR. Den am Fahrzeug des Beklagten zu 1) entstandenen Schaden (820,56 EUR) hat die erstinstanzlich noch Widerbeklagte zu 3) in Höhe von 396,02 EUR ausgeglichen.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger die Erstattung von 2/3 seines Schadens (1.163,29 EUR) nebst Verzugszinszinsen in gesetzlicher Höhe sowie den Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten (155,30 EUR). Der Beklagte zu 1) hat Widerklage erhoben und die Erstattung seines Restschadens (450,10 EUR) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt.
Das Amtsgericht hat über den Hergang des Unfalls ein Sachverständigengutachten eingeholt und Zeugen vernommen. Danach hat es die Klage abgewiesen und der Widerklage in vollem Umfang entsprochen. Zur Begründung hat der Erstrichter ausgeführt, dass eine Haftung der Beklagten für den Unfall nicht gegeben sei. Die Ehefrau des Klägers habe gegen die besonderen Sorgfaltsanforderungen des § 14 StVO verstoßen, wohingegen dem Beklagten zu 1) allenfalls ein geringes Mitverschulden angelastet werden könne, wenn unterstellt werde, dass er die Ehefrau des Klägers hätte wahrnehmen können. Dieses Mitverschulden trete aber gänzlich hinter den Verursachungsanteil der Ehefrau des Klägers zurück.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, soweit er mit der Klage abgewiesen worden ist. Der Beklagte zu 1) hätte die geöffnete Tür des klägerischen Fahrzeuges rechtzeitig erkennen können und sein Fahrverhalten durch Ausweichen oder Abbremsen hierauf einstellen müssen. Außerdem sei er in einer Bogenfahrt in seine Parktasche eingefahren und habe dabei die Parktasche der Ehefrau des Klägers mitbenutzt.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler zu Lasten des Klägers (§ 513 ZPO). Dem Kläger steht gemäß §§ 7, 18 StVG i.v.m § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ein Anspruch auf Ersatz von 1/3 seines Unfallschadens nebst Verzugszinsen und anteiliger vorgerichtlicher Anwaltskost...